Stadtentwicklungssenator patzt beim Mieterschutz

Koalitionsexpertinnen kritisieren Verwaltungsentwurf gegen Zweckentfremdung

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist bereits die dritte Novelle des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes, die auf Vorlage von Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) am Dienstag im Senat beschlossen wurde. Sie soll endlich Schluss machen mit dem Unwesen, dass regulärer Wohnraum über die Vermietung als Ferienunterkunft auf Portalen wie Airbnb den Mietern dieser Stadt entzogen wird.

»Die zuständigen Behörden werden mit der dritten Gesetzesänderung in die Lage versetzt, noch gezielter auftretenden Formen der Zweckentfremdung von Wohnraum, insbesondere durch Nutzung als Ferienwohnungen, zu begegnen«, erklärt Senator Scheel in einer Mitteilung am Dienstag. »Die Regelung stärkt den Vollzug des Berliner Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes und verhindert Umgehungsmöglichkeiten«, verspricht er.

Doch die Wohnungspolitikerinnen der rot-rot-grünen Koalition sehen dieses Versprechen mit dem vorliegenden Änderungsvorschlag keineswegs eingelöst. »Wir brauchen keine Gesetzesnovelle, die den Namen nicht verdient«, sagt Linke-Stadtentwicklungsexpertin Katalin Gennburg über die Vorlage aus dem Haus ihres Parteifreundes. »Wenn wir das Gesetz das dritte Mal anfassen müssen, werden wir es richtig angehen müssen«, so Gennburg weiter.
Die Senatsverwaltung will beispielsweise bisherige Vollzugsprobleme dadurch lösen, dass obligatorische Registriernummern nicht nur für Wohnungen, die kurze Zeit vermietet werden, beantragt und mit den entsprechenden Inseraten veröffentlicht werden müssen, sondern auch bei regulären gewerblichen Ferienunterkünften. Das lehnt Gennburg ab. »Das System von Registriernummern ist eine Idee von Airbnb selbst. Es widerspricht dem eigentlichen System der Genehmigung für die zweckfremde Nutzung von Wohnraum in Einzelfällen«, so die Abgeordnete. Juristen warnen, dass der Senat mit der Ausweitung des Registriersystems auf gewerbliche Flächen den Gesetzeszweck Wohnraumschutz überdehnt.
»Die letzte Novelle war ein harter Prozess, an dessen Ende das schärfste Zweckentfremdungsverbot-Gesetz Deutschlands stand«, sagt Gennburg. Dieser Weg müsse zusammen mit den Bezirken erneut gegangen werden.

»Bei dem Thema Zweitwohnung ist es verheerend, dass die Tagesregelung weiter bestehen soll«, sagt Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger zu »nd«. Zweitwohnungen dürfen maximal 90 Tage pro Jahr an Feriengäste vermietet werden. Eine Regelung, die in der Praxis praktisch nicht überprüfbar ist und so ins Leere läuft. »Das ganze Gesetz ist durchsetzt von Pseudoreparaturen. Weder beim Thema Abriss noch bei Zweitwohnungen sehe ich, dass die Vollzugsdefizite geheilt werden«, erklärt die Grünen-Abgeordnete.

Der Abriss von günstigen Bestandswohnungen zugunsten neuer Luxusbauten hätte durch die Regelung verhindert werden sollen, dass Ersatzwohnraum ortsnah für maximal 7,92 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter zur Verfügung gestellt werden muss. Doch bereits 2019 unterlag der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf im Rechtsstreit um eine Abrissgenehmigung vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Der Fall liegt nun vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. »Das geltende Wohnraumschutzrecht ist für den Preis praktisch blind«, sagt ein Jurist. Da hilft auch nicht, dass im Senatsentwurf der absolute Preis durch eine relative Formulierung ersetzt worden ist. Auch viele weiteren Probleme werden mit dem »nd« vorliegenden Entwurf der Stadtentwicklungsverwaltung nicht behoben.

»Eigentlich brauchen wir ein Wohnraumschutzgesetz, das nicht mehr unterscheidet zwischen Zweckentfremdung und Abriss«, sagt Schmidberger. »Die vorgelegte Novelle ist zum wiederholten Mal ein Hinweis darauf, dass die Verwaltung sich größtenteils sträubt, den politischen Willen der Koalition umzusetzen«, so die Grünen-Politikerin.
»Wir haben als Koalitionäre verabredet, uns das gemeinsam noch mal mit unseren Stadträten anzuschauen. Wir haben auch schon die ersten Runden dazu gehabt«, sagt SPD-Mietenexpertin Iris Spranger. »Wir werden Änderungsanträge machen«, kündigt sie an.

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