Der Leuchtturm wirft viel Schatten

Trotz Lob von Gewerkschaften: Passagiere im Nahverkehr von Rheinland-Pfalz spüren täglich die Folgen der Privatisierung

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei der Landtagswahl am 14. März in Rheinland-Pfalz geht es für die seit 30 Jahren in der Landespolitik tonangebende SPD um alles oder nichts. Die Umfragewerte von derzeit um die 30 Prozent sind, gemessen an früheren Wahlergebnissen der Sozialdemokraten, in dem Bundesland mager. Sie liegen damit immer noch auf Rang zwei hinter der CDU, die bei 33 bis 34 Prozent liegt. Die SPD setzt voll auf die erhoffte Strahlkraft ihrer Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Vor diesem Hintergrund kann die angeschlagene Partei im Südwesten »just in time«-Schützenhilfe und Zuspruch von Gewerkschaften gut gebrauchen. So fuhr dieser Tage Spitzenpersonal der DGB-Bahngewerkschaft EVG in der Mainzer Staatskanzlei vor und überreichte der Regierungschefin gemeinsam mit dem gewerkschaftsnahen Verein Mobifair den »Mobifairness-Preis 2021«. Die Gewerkschafter würdigten das Landestariftreuegesetz (LTTG) als »Leuchtturm in der Vergabelandschaft«. Das Gesetz schreibt seit 2016 vor, dass ein neuer Betreiber von Linien im Schienenpersonen-Nahverkehr (SPNV) die Beschäftigten des Altbetreibers übernehmen muss. »In Rheinland-Pfalz wurde der Billigwettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten entschieden eingedämmt«, lobte der EVG-Vizechef und frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Burkert.

Die seit Jahrzehnten härter werdende Konkurrenz im Schienennahverkehr um Aufträge durch die öffentliche Hand, die teilweise Zustände wie in Großbritannien, dem Mutterland der Bahnprivatisierung brachte, produziert bundesweit insbesondere Druck auf die Beschäftigten. Oftmals wurde bei Ausschreibungen die noch bundeseigene Deutsche-Bahn-Tochter DB Regio durch private Anbieter verdrängt, die mit mageren Löhnen, schlechten Arbeitsbedingungen und knappen Kalkulationen zum Zuge kamen und hinterher vielfach unter Renditedruck nicht das an Leistungen lieferten, was sie vollmundig versprochen hatten. Um negative Folgen für Beschäftigte aufzufangen, setzt sich die EVG seit Jahren bei den Landesregierungen für Tariftreuegesetze ein.

Doch auch im Südwesten ist bei näherer Betrachtung nicht alles Gold, was glänzt. Unweit der Mainzer Staatskanzlei hat sich auf Betreiben der Landesregierung seit Ende 2014 und damit vor dem Inkrafttreten des LTTG 2016 die Privatbahn Vlexx breit gemacht und mit ihren Dieselzügen die DB Regio in einem weiten Netz zwischen Frankfurt am Main, Mainz, Alzey, Kaiserslautern, Koblenz und Saarbrücken verdrängt. Lokal- und Landespolitiker waren beim Beitreiberwechsel noch voll des Lobes für Vlexx gewesen, einen Ableger der italienischen Trenitalia und des Investmentfonds Cube aus Luxemburg. Doch seit Dezember 2014 klagen Kunden über Pleiten, Pech und Pannen im Vlexx-Alltag. In einer speziellen Facebook-Gruppe informieren sich gut 2300 frustrierte Kunden über »Verspätungen und Vorkommnisse« rund um den Vlexx-Betrieb. Es geht um Zugausfälle, Fahrplanausdünnungen, defekte Toiletten und Klimaanlagen.

»Vlexx verzeichnet seit über sechs Jahren große Erfolge beim Vertreiben von Fahrgästen«, bringt es der Kommunalpolitiker Peter Herrmann aus der Gemeinde Monzingen (Landkreis Bad Kreuznach) gegenüber »nd« auf den Punkt. Er hat als Pendler alles am eigenen Leib erfahren und bemängelt, dass Vlexx auch keine Faltfahrpläne im Westentaschenformat mehr ausgibt. Diesen Service hatten viele Kunden genutzt, um flexibel die Verbindungen im Nahetal zu checken.

Dass Vlexx meilenweit von den Sehnsüchten der Gewerkschafter entfernt ist, zeigt auch die aktuelle Tarifrunde mit der EVG, bei der sich ein größerer Konflikt abzeichnet. Dem Vernehmen nach sträubt sich das Management nach wie vor gegen Regelungen, wie sie bei der DB AG und mittlerweile auch etlichen Privatbahnen gelten. Ein 13. Monatsgehalt wird ebenso abgelehnt wie flexiblere Arbeitszeitgestaltung oder Betriebsrenten.

Zudem ist das vom Generalsekretär der Bundes-FDP, Volker Wissing geführte Landesverkehrsministerium nach Insiderangaben nicht bereit, mehr Kontrollpersonal zur stichprobenartigen Überprüfung der Einhaltung des LTTG abzustellen. Ein neues Vergabeverfahren im SPNV kommt nun im südlichen Landesteil, der Pfalz. Sollte die DB hier verlieren, so stünde auch ein DB-Instandhaltungswerk in Kaiserslautern auf der Kippe.

Das Chaos bei Vlexx zeige, »warum es in der Verkehrsinfrastruktur nie zu Privatisierungen kommen darf«, mahnt David Schwarzendahl, Linke-Spitzenkandidat zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz. »Qualität und faire Arbeitsbedingungen, Zuverlässigkeit und Sicherheit« müssten im Nahverkehr garantiert sein. Er fordert die »Rückführung sensibler Infrastrukturbereiche in die öffentliche Hand«.

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