Meyer-Werft: Angst vor dem Jobverlust

Nach Gewerkschaftsangaben will das Traditionsunternehmen im niedersächsischen Papenburg über 600 Stellen abbauen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 2 Min.

Bedrohliche Töne, die Angst um den in früheren Jahren so sicher geglaubten Arbeitsplatz wachgerufen haben, hatten die Beschäftigten des Traditionsunternehmens Meyer-Werft an der Ems schon im April 2020 hören müssen. Damals sprach Seniorchef Bernard Meyer von der größten Krise, die seine Firma je getroffen habe. Auslöser sei die Corona-Pandemie, die den Bedarf an Kreuzfahrtschiffen, einer Spezialität der Werft, habe einbrechen lassen.

Konkrete Zahlen wurden dann vor gut sechs Wochen bekannt: Womöglich würden bis zu 1800 der insgesamt 4500 Beschäftigten ihren Job verlieren, hieß es seitens der Geschäftsleitung. Sie wolle einen Großteil der Stellen retten, tönte es aus der Chefetage. Voraussetzung dafür sei es, »intelligente Konzepte« mit dem Betriebsrat zu vereinbaren.

Nicht als intelligent, sondern als Zumutung empfinden jedoch nicht wenige Beschäftigte ein »Konzept«, das Betriebsrat und die Industriegewerkschaft Metall jetzt via Flugblatt öffentlich machten. Demnach beabsichtige das Unternehmen, gut 600 Arbeitsplätze zu streichen. Darüber hinaus verlange die Werftleitung, dass all diejenigen Beschäftigten, die ihre Stelle behalten, pro Jahr 200 Stunden unbezahlte Mehrarbeit leisten. Und: Eine Lohnerhöhung solle es nur geben, wenn die Werft wieder Gewinne in einer für die Firma akzeptablen Höhe erziele. Sofern die Arbeitnehmer all dies nicht akzeptieren, erwäge das Unternehmen das Streichen weiterer 300 Stellen, wie aus den Informationen der Arbeitnehmerseite hervorgeht.

Diese Forderungen vor dem Hintergrund drohender Entlassungen seien »ein ganz klarer Fall von Erpressung«, unterstrich ein Werft-Mitarbeiter vor der NDR-Kamera. Für Unmut in der Belegschaft sorgt die Mitteilung, Meyer wolle eine Stuttgarter Unternehmensberatung damit beauftragen, den Betrieb auf guten Kurs zu bringen. Betriebsratsvorsitzender Nico Bloem sieht das kritisch: Obwohl die Kollegen gute Ideen hätten, um die Werft wieder flott zu machen, gebe die Geschäftsleitung Geld für eine externe Beraterfirma aus, fordere aber gleichzeitig von den Beschäftigten zeitweise Gratisarbeit.

Seitens der Unternehmensführung gab es bislang keine Stellungnahme zu den Äußerungen von Betriebsrat und Gewerkschaft. Neueste Meldung auf Meyers Presseseiten im Internet: Die Werft hat den Bau eines neuen Kreuzfahrtschiffes namens »Arvia« für die britische Reederei P&O Cruises begonnen. Es sei »optimal auf die Vorlieben der britischen Passagiere zugeschnitten«.

Werftunternehmen stehen im ganzen Norden Deutschlands unter wirtschaftlichem Druck. Am Wochenende hatte die Geschäftsführung der Lloyd-Werft in Bremerhaven die Schließung des Unternehmens zum Jahresende verkündet.

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