Wenn Notare Fehler machen

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Verbraucherschützer schlagen Alarm, weil von Notaren beurkundete Bauträgerverträge Bauherren krass benachteiligen. Bei Bauträgerverträgen errichtet eine Firma zu einem Festpreis eine schlüsselfertige Immobilie. So berichtet die Verbraucherzentrale Bremen, bislang wurde ihr kein Bauvertrag vorgelegt, der nicht zu beanstanden war. »In sämtlichen Fällen sollten Verbraucher Verträge abschließen, die benachteiligende und unzulässige Klauseln enthielten.«
Häufig müsse der Immobilienkäufer die Schlussrate vor Fälligkeit auf ein Notaranderkonto einzahlen oder gegen Vorlage einer Bankbürgschaft vorfällig direkt an den Bauträger zahlen. So verliert der Bauherr das Druckmittel, damit der Bauträger Mängel beseitigt. In anderen Klauseln heißt es, der Käufer werde erst ins Grundbuch eingetragen, wenn die letzte Rate gezahlt sei. Unwirksam, urteilte der Bundesgerichtshof (Az. VII ZR 420/00). Oft stecken auch Änderungsvorbehalte im Vertrag: Der Bauträger darf dann angeblich ohne triftigen Grund von der Planung oder der Auswahl der Baustoffe abweichen. »Die Änderungen der Bauausführung, der Material- bzw. der Baustoffauswahl, soweit sie gleichwertig sind, bleiben vorbehalten«, heißt es dann. Auch diese Klausel hat der BGH als unwirksam verworfen (Az. VII ZR 200/04). Andere Verträge enthalten Klauseln, wonach der Notar zugunsten des Bauträgers bei Zahlungsverzug eine Zwangsvollstreckung »ohne Nachweis der Fälligkeit der Forderung« einleiten kann. Der Käufer weiß oft nicht, dass solche Klauseln unwirksam sind. Einige Notare sehen über die Klauseln hinweg, verdienen sie doch prächtig daran, dass der Bauträger auch die nächsten Male bei ihnen beurkunden lässt. Die Baufirmen »suchen sich den Notar aus, der die damit verbundene Anzahl von Verträgen beurkunden soll«, berichten die Bremer Verbraucherschützer. Den Entwurf verschickt der Notar. Viele Verbraucher erwarten, dass diese Verträge in Ordnung sein müssen. Den Notar wählt auch bei kleinen Grundstücksgeschäften meist der Verkäufer aus. So auch in einem Fall aus der Eifel. 1200 Quadratmeter Bauland versprach ein überschuldeter Bauer einem Paar aus Köln. Ein Bebauungsplan existierte nicht. Weil Fristen drängten und der Verkäufer Druck machte, ging das Geschäft ohne amtlichen Lageplan zum Notar. Im Hauruck-verfahren wurde beurkundet, die Baulandeigenschaft zugesichert. Laut Vermessung aber waren nicht mal 600 Quadratmeter Bauland, der Rest war Ackerland. Preisdifferenz rund 27 000 Euro. Der Notar versuchte, das Ackerland zu teurerem Gartenland umzudefinieren. Die Käufer drohten mit Klage und setzten die Kaufpreisminderung durch. Wer sich vom Notar geschädigt sieht, kann sich bei der Bundesnotarkammer in Berlin beschweren oder Schadenersatz verlangen. Notare dürften »keine Verträge beurkunden, die unzulässige Klauseln enthalten«, stellt die Vbz Bremen klar. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) rät, beide Vertragsparteien sollten unbedingt sicherstellen, dass ihnen der Notar rechtzeitig vor dem Beurkundungstermin einen Vertragsentwurf zusendet - zum gründlichen Studium und Grundbuchvergleich. Notare sind gesetzlich zur Beratung und Aufklärung verpflichtet, so die vzbv. Wenn nötig, sollten die Parteien den Entwurf einem anderen Notar oder Rechtsanwalt zur Prüfung vorlegen. Die Ausgaben von 200 bis 400 Euro sind meist gut investiert. Soweit es um die Finanzierung des Geschäfts geht, sollte auch die Bank des Käufers einen Blick auf das Vertragswerk werfen. Ein Fettnäpfchen bei Immobiliengeschäften sind Nebenabreden. Solche Absprachen parallel zum Notarvertrag sind nicht nur unwirksam. Sie gefährden auch die Wirksamkeit des tatsächlich beurkundeten Vertrags. Ein typisches Beispiel: Der Kaufpreis wird im Notarvertrag niedriger angesetzt, um Grunderwerbssteuer, Notar- und Grundbuchkosten zu reduzieren oder um Gläubiger des Verkäufers leer ausgehen zu lassen. Folge: Der Vertrag ist nichtig, Käufer macht sich der Steuerhinterziehung schuldig, Verkäufer der Beihilfe. Ob der Preis einer Immobilie angemessen ist, hat der Notar so wenig zu prüfen wie steuerliche Aspekte oder bautechnische Angelegenheiten. Bei Zweifeln hat der Notar die Aufgabe, die Beteiligten darüber zu belehren, dass falsche Angaben zur Nichtigkeit des Kaufvertrags führen. Vor dem Notartermin sollte der Käufer das Baulastenverzeichnis studieren. In dem Verzeichnis, das bei den Bauämtern geführt wird, sind bestimmte Belastungen des Grundstücks eingetragen, zum Beispiel zugunsten eines Grundstücksnachbarn. Solche Lasten können die nach dem Bebauungsplan zulässige Bebaubarkeit des Grundstücks einschränken. Diese Recherche ist Käuferaufgabe. Darum kümmert sich der Notar nicht, so die vzbv. Zusätzlich sollten Käufer den Verkäufer im Vertrag zusichern lassen, »dass ihm keine Baulasten bekannt sind und dass er während seiner Besitzzeit auch keine Baulasten bewilligt hat«. KAI ALTHOETMAR

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