Wirtschaftskrimi an der Weser

Die Greensill Bank muss vorerst schließen - die juristische Aufarbeitung hat erst begonnen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer trägt die Verantwortung dafür, dass die kleine Greensill Bank in der Martinistraße zu Bremen binnen kürzester Zeit zu einer milliardenschweren Gefahr für die deutsche Einlagensicherung heranwachsen konnte? Recherchen des Infodienstes »Finanz-Szene.de« zeigen: Die Bafin scheint »eine zumindest unglückliche Rolle gespielt zu haben«. Grundlegend für das Greensill-Geschäftsmodell war der Einsatz von Kreditversicherungen - vermeintlich schützten diese das Institut gegen mögliche Ausfälle. Bevor allerdings im Jahr 2019 die Bilanzsumme explodierte, war die Anwendung dieser heiklen Instrumente zumindest zeitweise »ausgesetzt«, meldete »Finanz-Szene.de« am Montag. Das bedeutet: Dem Bremer Geldhaus war es in jener Zeit gar nicht möglich, ein großes Rad zu drehen. Erst im Mai 2019 änderte sich die Lage. Da nämlich genehmigte die Bafin »die Nutzung eines großen Kreditversicherungsvertrages zur Risikominderung«.

Obwohl das Kreditvolumen dadurch in kurzer Zeit um 74 Prozent gewaltig anschwoll, gingen die risikogewichteten Aktiva um 11 Prozent zurück. Diese merkwürdige Diskrepanz hätte die Bafin auf den Plan rufen müssen.

Das australisch-britische Finanzkonglomerat Greensill ist keine normale Geschäftsbank. Sie funktioniert vorrangig als Geld- und Garantiegeber für das weltweit aufgestellte Finanzimperium des Australiers Lex Greensill. Dabei konzentriert sich die Gesellschaft auf die Finanzierung weniger Großinvestoren. Größter Kunde ist offenbar der indisch-britische Stahlkonzern von Sanjeev Gupta. In Deutschland wurde Gupta bekannt, als seine Liberty Steel ein Kaufangebot für die Stahlsparte von Thyssen-Krupp unterbreitete, welches der Essener Konzern kürzlich ausschlug. Angeblich soll ein Drittel des Geschäfts von Greensill allein auf Guptas Gruppe entfallen, die wie die ganze Stahlbranche schwächelt. Ein gefährliches Ausfallrisiko, das dem Vorstandsvorsitzenden Lex Greensill nun zum Verhängnis werden könnte.

Vor einer Woche entsandte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz Bafin, einen Sonderbeauftragten in die Greensill Bank AG. Vergangenen Mittwoch wurde ein sogenanntes Moratorium verhängt: Damit sind alle Konten eingefroren, Ein- und Auszahlungen sind nicht mehr möglich. In Australien hat ein Unternehmen der Gruppe, zu der auch die Bremer Bank gehört, bereits Gläubigerschutz beantragt, was dem deutschen Insolvenzantrag entspricht. Der Wirtschaftskrimi an der Weser zieht weltweite Kreise. Das liegt auch an einer weiteren Besonderheit des Geschäftsmodells, nämlich die Übernahme von Forderungen aus Lieferungen an Unternehmen. »Diese erworbenen Forderungen werden dann zu weltweit handelbaren Investmentpapieren verpackt«, erklärt der Bremer Ökonom und Professor Rudolf Hickel.

Solche Lieferketten-Finanzierungs-Fonds (»Supply-Chain-Finance«) hält Professor Hickel für »toxisch«. Sie erinnerten an die Finanzkrise, die im Jahr 2007 durch ähnliche Wertpapiere auf Immobilien ausgelöst worden war. Offenbar haben viele Banken und Versicherungen in aller Welt in Greensill-Lieferketten-Fonds investiert. So meldete die Schweizer Großbank Credit Suisse zum Wochenende, dass sie nun vier Investmentfonds von Greensill schließt. Deren Volumen wird auf bis zu zehn Milliarden Euro geschätzt. Der heute 44-Jährige Bauernsohn Lex Greensill gründete 2011 »Greensill Capital«, ein Inkassounternehmen.

Lex kokettierte oft mit dem Image des bodenständigen australischen Farmers. Ihm gelang es so, bekannte Investoren wie die japanische Softbank an Land zu ziehen - und Promis: Er heuerte de früheren britischen, konservativen Premierminister David Cameron als Berater an.

2014 übernahm Greensill dann die Mehrheit an der kleinen Bremer Nordfinanz Bank. Das Institut wurde unter dem neuen Namen Greensill Bank AG offenbar ein zentraler Knotenpunkt des weltweiten Finanznetzes. Zum Jahresschluss 2020 belief sich dessen Bilanzsumme auf rund 4,5 Milliarden Euro. Diese relativ kleine Summe legt nahe, dass ein Großteil der Greensill-Geschäfte außerhalb der offiziellen Bankbilanz abläuft. Für seine riskanten Investments brauchte Greensill viel Geld, welches sich die kleine Bankengruppe nicht ausschließlich von Zentralbanken leihen konnte. Über Internetplattformen wie »Zinspilot« warb sie daher mit besser verzinsten Anlagen auch viele deutsche Sparer an. Sie sollen etwa 1 Milliarde Euro in Bremen angelegt worden sein.

»Sparer müssen sich aber keine Sorgen machen«, so die Stiftung Warentest. Sollte das Moratorium mit der Feststellung der Insolvenz der Bank enden, tritt der Entschädigungsfall ein. In diesem Fall wären alle Spareinlagen über die deutsche Einlagensicherung jeweils in Millionenhöhe geschützt.

Im Gegensatz zu »Finanz-Szene.de« lobt übrigens der Mitgründer der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik die Finanzaufsicht. »Endlich hat die Bafin rechtzeitig funktioniert und dieses hochgefährliche Geschäftsmodell mit einem Moratorium gestoppt«, so Hickel.

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