+++ Corona-Indizenz stagniert +++

Der Newsblog zur Coronakrise - Dienstag, 9. März 2021: +++ Lettland und Bulgarien vor Lockdown und schärferen Maßnahmen +++ USA haben bereits 90 Millionen Impfdosen verabreicht +++

  • Lesedauer: 6 Min.

+++ Wissler: Brandenburger Inzidenzgrenze »Wahrnsinn« +++

Potsdam. Die Brandenburger Landesregierung wehrt sich gegen scharfe Kritik und den Vorwurf, sie weiche im Alleingang die von Bund und Ländern vereinbarte »Corona-Notbremse« auf. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kritisierte am Montagabend bei Twitter, in der neuen Brandenburger Corona-Verordnung sei geregelt, dass Kreise und kreisfreie Städte erst ab einem Inzidenz-Wert von 200 für mindestens drei Tage wieder schärfere Maßnahmen anordnen. Dort steht - anders als von Bund und Ländern beschlossen - nicht explizit, dass ab einem Wert von über 100 neuen Infektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche qasi automatisch Lockerungen wieder ausgesetzt werden.

Regierungssprecher Florian Engels wies die Kritik zurück. Sollte sich der landesweite Wert einer Inzidenz von 100 beharrlich nähern, werde die Landesregierung entscheiden, welche konkreten Schritte ab Überschreiten der 100er-Linie über drei Tage ergriffen würden, teilte Engels mit. Dabei sollten auch andere Kriterien wie die Auslastung des Gesundheitssystems oder der Impfstatus berücksichtigt werden.

Lauterbach schrieb bei Twitter: »Das ist mittelgradig unglaublich. Lockerungen werden beschlossen, wie in MPK vereinbart, aber Notbremse wird von 100 auf 200 (!) erhöht. Ist das ernst gemeint?« Er warnte, wenn dies alle Bundesländer machten, werde es eine schwere 3. Pandemiewelle geben und einen langen Lockdown.

Die Vorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, nannte die Brandenburger Rgelung »ziemlichen Wahnsinn«. »Das gefährdet das Leben und die Gesundheit von Menschen«, sagte Wissler im »Frühstart« von RTL/ntv. »Ich finde schon die Inzidenz von 100 als Notbremse ziemlich ungeeignet.«

+++ Estland geht in den Lockdown +++

Tallinn. Angesichts einer rapiden Ausbreitung der britischen Variante des Coronavirus wird Estland am Donnerstag in einen einmonatigen Lockdown gehen. Dies kündigte Regierungschefin Kaja Kallas am Montagabend im Fernsehen an. Demnach soll der Schulbetrieb in dem baltischen EU-Land fast vollständig auf Fernunterricht umgestellt werden. Gastronomische Betriebe und Einzelhandelsgeschäfte müssen schließen. Ausnahmen gelten für Läden des täglichen Bedarfs. Auch Sport in Innenräumen wird untersagt.

»Die Situation von Covid-19 in Estland ist äußerst kritisch. Dies muss schnell angegangen werden. Wir haben beschlossen, das Land so weit wie möglich zu schließen«, sagte Kallas. »Dies alles dient dazu, Kontakte zu reduzieren und die Infektionsketten zu durchbrechen.«. Grund für die neuen Beschränkungen ist die rasche Verbreitung des britischen Coronavirus-Stammes. Nach Kallas' Angaben wurde die Variante, die als ansteckender als die ursprüngliche Form gilt, in Estland zuletzt in 98 Prozent aller analysierten Proben gefunden.

Das 1,9-Millionen-Einwohner-Land hat nach Angaben der EU-Behörde ECDC aktuell eine der höchsten Infektionsraten in Europa. Seit dem 23. Februar wurden täglich weit mehr als 1000 neue Fälle registriert. Die Regierung in Tallinn hatte deshalb zuletzt bereits die im Vergleich zu den Nachbarn Lettland und Litauen lange lockeren Corona-Beschränkungen verschärft. Insgesamt wurden in Estland seit Beginn der Pandemie mehr als 76 000 Fälle erfasst. 667 Menschen starben mit oder an dem Virus.

+++ FFP2-Masken gehören in den Restmüll +++

Berlin. Als Folge der Corona-Pandemie beklagt Deutschlands Entsorgungswirtschaft eine stark gestiegene Zahl von sogenannten Fehlwürfen in der Gelben Tonne oder im Gelben Sack. Große Mengen von Gummihandschuhen sowie OP- und FFP2-Masken landeten darin, obgleich sie in den Restmüll gehörten, teilte der Entsorgerverband BDE in Berlin mit. Wenn zu viele solcher Materialien in einer Tonne sind, besteht die Gefahr, dass der komplette Inhalt - also auch für das Recycling gedachte Verpackungen - aussortiert und verbrannt werden muss. »Die Fehlwürfe erschweren unsere Arbeit und sind schlecht für das Recycling - das macht uns Sorge«, sagte ein BDE-Sprecher.

+++ Bulgarien vor schärferen Maßnahmen +++

Sofia. Wegen schnell steigender Neuansteckungen mit dem Coronavirus sollen in Bulgarien strengere Schutzmaßnahmen gelten. Die Regierung erwägt Maskenpflicht auch im Freien, eine Rückkehr zum Fernunterricht, kürzere Öffnungszeiten für Restaurants sowie Einschränkungen für Einkaufsmalls und Fitnessstudios. »Binnen Tagen« soll entschieden werden, ob diese Maßnahmen lokal oder landesweit eingeführt werden, sagte Gesundheitsminister Kostadin Angelow am Montagabend in Sofia.

In acht von 28 Regionen - einschließlich der Hauptstadt - liegt die Zahl der Neuinfektionen binnen sieben Tagen auf mehr als 300 pro 100 000 Menschen. Zum Vergleich: In Deutschland lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Montag bundesweit bei 68. In den Krankenhäusern dieser acht Regionen wurden nun geplante Operationen aufgeschoben und Krankenbesuche verboten.

Die Gastronomie ist in dem EU-Land seit dem 1. März nach dreimonatigem Lockdown wieder geöffnet, trotz steigender Zahlen. Bereits seit 1. Februar dürfen Schulen und Kindergärten sowie Einkaufsmalls, Fitnessstudios und Tanzclubs wieder öffnen. In geschlossenen, öffentlich genutzten Räumen ist Mund-Nasen-Schutz Pflicht. Diese Regel wird aber oft nicht eingehalten.

+++ US-Behörde lockert Empfehlungen für Geimpfte +++

Washington. Angesichts großer Fortschritte bei den Corona-Impfungen sollen in den USA wieder etwas mehr soziale Kontakte möglich werden. Nach neuen Empfehlungen der Gesundheitsbehörde CDC, die am Montag veröffentlicht wurden, können voll geimpfte Menschen in geschlossenen Räumen in kleinen privaten Runden nun wieder ohne Maske und ohne Mindestabstand zusammenkommen. Auf gleiche Weise können sie sich auch mit Ungeimpften treffen - sofern diese nicht zu einer Risikogruppe gehören, etwa wegen ihres Alters oder einer Vorerkrankung.

In der Öffentlichkeit sollen aber auch in den USA weiter strenge Vorgaben eingehalten werden. Experten sehen noch lange keine Entwarnung. CDC-Direktorin Rochelle Walensky betonte, außerhalb von geschlossenen Räumen werde nach wie vor für alle - Geimpfte und Ungeimpfte - dringend empfohlen, Maske zu tragen, Abstand zu halten und größere Menschenansammlungen zu meiden.

In den Vereinigten Staaten haben der Behörde zufolge bislang etwa 59 Millionen Menschen mindestens eine Impfdosis erhalten, etwa 31 Millionen bereits zwei Dosen. Die USA haben annähernd 330 Millionen Einwohner. Erhältlich sind dort bislang drei Impfstoffe. Die Impfstoffe der Unternehmen Moderna sowie Pfizer/Biontech werden in je zwei Dosen verabreicht. Beim Stoff der Firma Johnson & Johnson reicht eine Spritze. Als voll geimpft gelten Menschen zwei Wochen nach der letzten erforderlichen Impfung. Andy Slavitt, Corona-Berater aus dem Weißen Haus, sagte, zuletzt seien im Tagesschnitt 2,2 Millionen Dosen verabreicht worden. Am Samstag seien es sogar 2,9 Millionen gewesen

+++ Inzidenz stagniert landesweit +++

Berlin. Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 4252 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 255 weitere Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen des RKI vom Dienstag hervor. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 3943 Neuinfektionen und 358 neue Todesfälle verzeichnet. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 04.40 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind möglich.

Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Dienstagmorgen bundesweit bei 67,5 - und damit etwas niedriger als am Vortag (68,0). Vor vier Wochen, am 9. Februar, hatte die Inzidenz noch bei 72,8 gelegen. Die Zahl der neuen Ansteckungen in Deutschland war im Januar und Februar über Wochen deutlich zurückgegangen. Zuletzt stagnierte sie allerdings, was auch an der Verbreitung ansteckenderer Varianten liegen könnte.

Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 2 509 445 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 2 319 600 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 72 189.

Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Montagabend bei 1,03 (Vortag 1,06). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 103 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. Agenturen/nd

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