Eiskunstlauf-Weltmeisterin schlittert in die Politik

Christine Stüber-Errath unterstützt in Wildau die Gründung einer Bürgerinitiative für Demokratie und Toleranz

Als Eiskunstläuferin war das Pflichtprogramm für Christine Errath der schwierige Teil in Wettkämpfen. Sie glänzte in der Kür und wurde 1974 als ganz junge Frau Weltmeisterin. Nun steht in ihrem Wohnort Wildau (Dahme-Spreewald) in gewisser Hinsicht erneut ein Pflichtprogramm auf ihrer Agenda. »Wenn mich etwas ärgert, dann muss ich etwas tun«, sagt die heute 64-Jährige zu ihrem Engagement bei der Gründung einer Bürgerinitiative für Demokratie und Toleranz in der Gemeinde südlich von Berlin. Denn hier brodelt es gewaltig.

Früher war es besser

2019 hatte Angela Homuth (SPD) die Bürgermeisterwahl in Wildau gewonnen. »Seitdem es die neue Bürgermeisterin gibt, hat sich der politische Stil grundlegend geändert«, beklagt Christine Stüber-Errath, wie die gebürtige Berlinerin seit ihrer Hochzeit 2006 heißt. Das Klima sei unter dem vorherigen Bürgermeister Uwe Mahlich (Linke) anders gewesen. Der ehemalige Handballer habe nicht nur viel für den Sport in Wildau getan. Man habe auch mit ihm reden können und er habe es nicht krumm genommen, wenn er kritisiert wurde.

Im Kontrast dazu sieht Stüber-Errath das Auftreten von Bürgermeisterin Homuth, die sie im Stadtparlament erlebte. Da ging es um die Streichung von 5800 Euro Fördermitteln für das soziale Projekt »Seifenblase«. Wenn es dafür nachvollziehbare Gründe geben sollte, dann hätte Homuth das besser erklären und ihre Vorlage nach der emotionalen Diskussion der Stadtverordneten zurückstellen sollen, damit noch mal in Ruhe darüber nachgedacht werden kann, findet Stüber-Errath. Stattdessen sei der Beschluss »durchgeboxt« worden. »Da ist mir der Kragen geplatzt.«

Dennoch versichert Stüber-Errath, die für den 23. März geplante Gründung der Bürgerinitiative sei nicht gegen die Bürgermeisterin gerichtet. Es gehe stattdessen um die Beantwortung zahlreicher Fragen. Vielleicht gelinge es ihr ja, zu vermitteln, hofft die in Ostdeutschland bekannte Eiskunstläuferin, der Fairness im Sport und im Leben immer wichtig war und die nach ihrer früh beendeten Einskunstlauf-Karriere Sendungen im DDR-Fernsehen und später im MDR moderierte. Die Bürgerinitiative sei parteiunabhängig angelegt, betont sie. »Wir wollen den Bürgern eine Stimme geben.«

Vorwurf der Bestechlichkeit

Allerdings würde es Stüber-Errath begrüßen, wenn die Bürgermeisterin die Amtsgeschäfte ruhen ließe. Immerhin stehen gegen Homuth Korruptionsvorwürfe im Raum. Im Januar hatte die Staatsanwaltschaft Neuruppin Anklage gegen die Kommunalpolitikerin erhoben. Sie soll sich dafür eingesetzt haben, dass ein Investor einen Bauvorbescheid für ein 6000 Quadratmeter großes Grundstück bekommt. Dieser habe sich bei ihr mit einer Spende von rund 10 000 Euro für den Bürgermeisterwahlkampf revanchiert. Dann habe der Investor auch noch mit 2200 Euro die Gaststättenrechnung einer Feier nach dem Wahlsieg bezahlt. Darüber hinaus soll Homuth dafür gesorgt haben, dass Bekannte, die in Schwierigkeiten steckten, von dem Investor 1500 Euro für einen Auftrag erhalten haben, der nie realisiert wurde. Als Gegenleistung soll sich die Bürgermeisterin bemüht haben, dem Investor ein 4600 Quadratmeter großes Grundstück der kommunalen Wohnungsgesellschaft günstig zuzuschanzen.

Die Bürgermeisterin hat den Vorwurf der Bestechlichkeit zurückgewiesen. Sie habe sich nichts vorzuwerfen. »Ich bin unschuldig«, versicherte Homuth. Das werde sie beweisen, falls das Oberlandesgericht die Anklage zulasse.

Justiz nimmt Anklage vorerst zurück

Inzwischen hat der Fall eine überraschende Wendung genommen. Die Klage sei von der Staatsanwaltschaft Neuruppin zurückgenommen worden, heißt es vom Oberlandesgericht auf nd-Anfrage. Möglicherweise werde nun die Generalstaatsanwaltschaft Anklage erheben, Hintergrund könnten Zuständigkeitsfragen sein. Aus Neuruppin ließ Oberstaatsanwalt Frank Winter wissen, man solle Anfragen zu diesem Verfahren bitte an die Generalstaatsanwaltschaft richten. Eine entsprechende nd-Anfrage blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

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