Nostalgische Superantihelden

Mit der Serie »Mighty Ducks« macht Disney+, was Disney+ so macht: Erfolge ausschlachten. Trotzdem ist die Fortsetzung der Eishockeyreihe mit Emilio Estevez nachhaltig und zeitgemäß

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit genau einem Jahr ist das Streamingportal des weltgrößten Entertainers online und seit genau einem Jahr macht Disney+ dort in hochverdichteter Form das, was der Unterhaltungskonzern auch ohne Additionszeichen so atemberaubend erfolgreich macht: Einfach. Immer. Dasselbe. Wer die Plattform durchstöbert, findet daher abgesehen vom unerschöpflichen Fundus etablierter Serien und Filme vor allem dreierlei: Sequels, Prequels und Making-Offs aus dem Lucas/Pixar/Marvel-Kosmos oder der Tiefe des Raums der 90er Jahre.

Dort lief einst auch eine Blockbuster-Reihe, die nirgends heimischer sein könnte als in der hedonistisch naiven Atempause vor 9/11. Ein betrunkener Yuppie wird darin zu 500 Sozialstunden verdonnert, die er bei den »Mighty Ducks« ableistet. Einem gut gelaunten, aber miserablen Eishockeyteam, das er gegen alle Widerstände siegreich und sich selbst dabei zum besseren Menschen macht. Tränen, Jubel, Geigen, fertig. Disney eben. Und weil Disney auch 25 Jahre nach der zweiten Fortsetzung Disney bleibt, weil Disney mit dem Plus womöglich sogar mehr Disney denn je ist, zeigt es nun also die Neuauflage mit altem Superstar.

In »Mighty Ducks«, deutscher Titel gewohnt subtil: »Das Superteam«, wird der gereifte Teeny-Star Emilio Estevez reaktiviert. Das frühere Loser-Team ist nämlich längst so erfolgreich, dass mittelmäßige Spieler wie Evan Morrow (Brady Noon) aussortiert werden. »Don’t bother« ruft ihm sein aalglatter Coach hinterher, »lass es!«, was Evans Mutter Alex (Lauren Graham) so auf die Zinne bringt, dass sie die abschätzigen Worte zum Namen eines frischen Loser-Teams aus allem macht, was die lokale High School an Außenseitern bereithält: Couch Potatoes, Zahnspangenmädchen, Fantasy-Nerds, ergänzt um einen Skateboarder ohne Schlittschuhe und einen Kanadier mit, aber ohne Talent.

Bevor Gordon Bombay (Emilio Estevez) dem Haufen Verlierer als Trainer dient, müssen die »Don’t Bothers« unter Mama Morrows Führung aber erst einmal durchs tiefe Tal torloser Niederlagen - bis sie in der dritten Folge ausgerechnet gegen die »Mighty Ducks« den Anschlusstreffer zum 1:17 erzielen, woraufhin Bombay das Schild mit der Aufschrift »No Hockey« aus seiner Eislaufhalle entfernt, das Training übernimmt und im Laufe der Serie, mal grob gemutmaßt, denselben Erfolg einleitet wie in Emilio Estevez’ Blütezeit.

Zur handelsüblichen Überwältigungsmusik steuert also auch diese Überwältigungsdramaturgie mit Überwältigungsmimik auf ein Überwältigungsfinale zu, das als Basisqualifikation sämtlicher Disney-Produkte gilt. Schließlich war Showrunner Steven Brill schon für die Originale verantwortlich. Und wie damals ist das Resultat zwar bis zur Negation aller Gesetze von Physik bis Logik stereotyp; trotzdem haben diese nostalgisch netten Superantihelden auch jetzt noch ihre Daseinsberechtigung. Ist ja nicht so, dass die Ellbogengesellschaft grad Pause macht. Im Gegenteil.

Selbst Amateursportler sind schließlich Teil eines gewinnorientierten Leistungssystems, dessen Scouting schon die E-Jugend nach Profis von morgen durchforstet. Halbe Kinder kosten Millionen, Bolzplatztalente bleiben unentdeckt, Spaß gilt als hilfreich, aber nebensächlich. Die Anfangsszene, in der Alex Morrow ehrgeizigen Hockeymums vorhält, Elfjährigen Personalcoaches, statt Spielfreude zu vermitteln, passt also fast noch besser ins Jahr 2021 als 1992. So gesehen kommen die »Mighty Ducks« als »Don’t Bothers« genau zur richtigen Zeit.

Natürlich geht es in »Mighty Ducks« vordergründig um Eishockey und Slapstick, Freundschaft, gar Liebe pubertierender Pre-Teens. Gordon und Alex kommen sich auch irgendwann näher. Vor allem aber baut die Serie mit Diversität und Eigensinn Denkmäler der Angstfreiheit. Klar, sie werden mit grobem Werkzeug zugehauen. Disney eben. Aber die Botschaft bleibt richtig. Und Feelgood-Fernsehen wie dieses ein schöner Kontrast zur rechtspopulistischen Realität da draußen.

»Mighty Ducks - Das Superteam«, ab 26. März auf Disney+

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