Ein Putsch, der keiner ist

Prinz Hamsa bin Al-Hussein wird eine Verschwörung gegen den jordanischen Palast vorgeworfen

  • Ferhad Ibrahim Seyder
  • Lesedauer: 3 Min.

Er wurde als Kronprinz gehandelt, nun ist er in Hausarrest: Hamsa bin Al-Hussein, der Halbbruder des Königs Abdallah II und Mitglied der Haschemitischen Dynastie in Jordanien. Der 41-Jährige bestritt am Samstag in einem von der BBC veröffentlichten Video, in eine Verschwörung verwickelt zu sein. Er sei kein Teil eines Komplotts, betonte Hamsa. Zugleich übte er massive Kritik an der Regierung und unterstrich, er sei nicht verantwortlich »für den Zusammenbruch der Regierungsführung, die Korruption und für die Inkompetenz« in der Führung des Landes. Nach seinen Angaben im Video ist er unter Hausarrest gestellt worden.

Am 2. und 3. April unternahm eine schlagkräftige Truppe bestehend aus der Armee, Spezialeinheiten und Geheimdienst (Mukhabarat) eine Reihe von Verhaftungen in den Reihen der jordanischen politischen Elite. Unter den Verhafteten ist ein Vetter von König Abdallah II, Hassan bin Zaid. Zu den wichtigsten Verhafteten gehört Basim Awad Allah. Awad Allah bekleidete 2007-2008 das Amt des Chefs des königlichen Hofs. Dieses Amt gilt in Jordanien als die Schaltzentrale in Fragen von Politik, Wirtschaft und Sicherheit. Awad Allah war auch derjenige, der in seiner Amtszeit die staatlichen Unternehmen privatisierte. Die defizitären Staatsunternehmen wurden als eine Belastung für den Staat angesehen.

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Awad Allah hatte das Ziel, durch Privatisierung und Austerität Jordanien für den Empfang von mehr Auslandshilfe vorzubereiten. Nach seiner Entlassung fungierte er am Ende als ein enger Berater des saudischen Kronprinzen Mohammad bin Salman.

Die jordanische Regierung verbreitet seit Sonntag den Eindruck, dass Awad Allah die rechte Hand von Hamsa bin Al-Hussein war. Er war sozusagen der außenpolitische Berater des Prinzen und koordinierte dessen Kontakte mit der Außenwelt. Alle diese Personen waren an einer Verschwörung beteiligt, so der jordanische Vize-Ministerpräsident Al-Safdi, um die politische Stabilität Jordaniens ins Wanken zu bringen. Von einem Putsch wird nicht mehr gesprochen. Die Verschwörer hätten, wie in den offiziösen Zeitungen »Al-Ghad« und »Al-Rai« behauptet wird, den Sturz der derzeitigen Ordnung zum Ziel.

Was waren aber die Beweggründe der Verschwörer um Prinz Hamsa? Die Erklärung des Vize-Ministerpräsidenten ist eher dürftig. Außenpolitische Mächte hätten versucht, mittels der Verschwörer die politische Ordnung zu stürzen. Da die wichtigsten arabischen Staaten, Ägypten und die Staaten des Golfkooperationsrates, einschließlich Saudi-Arabien sofort nach der Bekanntgabe der Verschwörung ihre Solidarität und Unterstützung für den König erklärten, scheint diese Behauptung wenig glaubhaft.

Hatte Hamsa bin Al-Hussein persönliche Motive? Es war bekannt, dass Hamsa bin Al-Hussein, nachdem er zugunsten des anderen Sohnes von König Abdallah seinen Posten als Thronfolger 2004 verloren hatte, keine guten Beziehungen mit seinem Halbbruder König Abdallah pflegte. Tatsächlich nutzte der entmachtete Prinz den Ausbruch des Arabischen Frühlings und die Stärkung der jordanischen Opposition, um Verständnis für die Protestierenden zu zeigen. Nach der Verschärfung und Vertiefung der wirtschaftlichen und politischen Krise in Jordanien versuchte der Prinz, sich als Alternative darzustellen.

Die vielfältigen Krisen haben die Situation der weniger privilegierten Schichten verschlechtert. Die Wirtschaftsbilanz war kontinuierlich negativ. Die Subventionen für Energie, Brot und Nahrungsmittel wurden gesenkt, was zu sozialen Protesten führte. Die Corona-Pandemie verschärfte die Situation.

Die sozialen Proteste sind alltäglich geworden. Die Kassen der staatlichen Subventionen sind aber leer und die Golfstaaten leisteten, anders als erwartet, keine ausreichende Finanzhilfe.

Es scheint, dass der wahre Grund für die Aufdeckung der Verschwörung die Absicht des Königs sein könnte, sich einer lästigen Palast-Opposition, die von seinem Bruder Hamsa ausging, zu entledigen. Denn die Stämme Jordaniens, wie Al-Majali und Abu Taih, die angeblich an der Verschwörung beteiligt waren, zeigten ihre Loyalität mit dem König. Die eigentliche Machtbastion der Haschemiten ist wie in den vergangenen 100 Jahren eine loyale Institution.

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