Im Schneckentempo zum klimaneutralen Verkehr

Brandenburg soll ein Mobilitätsgesetz bekommen. Das hat die Volksinitiative »Verkehrswende jetzt!« erreicht

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Ablehnung der Volksinitiative »Verkehrswende Brandenburg jetzt!« im Landtag stand unmittelbar bevor, ein Volksbegehren als nächste Stufe der direkten Demokratie stand ins Haus. Doch »nach langem Ringen und sprichwörtlich in letzter Minute wurde eine Einigung erzielt«, teilte der Verkehrsclub VCD am Dienstag mit.

Das Bündnis »Verkehrswende Brandenburg jetzt!«, das rund 28 600 Unterschriften für die gleichnamige Volksinitiative gesammelt hatte, werde nun also doch kein Volksbegehren beantragen, sondern mit der Regierung in einen Dialog zur Umsetzung seiner Ziele eintreten. Noch in diesem Jahr soll es losgehen. Darauf habe man sich am Montagabend mit den Koalitionsfraktionen SPD, CDU und Grüne verständigt. Die Verhandlungen darüber seien lang und mühsam gewesen und standen »zeitweise kurz vor dem Scheitern«. Der Einigung müsse der Landtag an diesem Donnerstag noch zustimmen.

Brandenburg soll ein Mobilitätsgesetz bekommen und bis spätestens 2050 einen klimaneutralen Verkehr haben. Das Bündnis ist halbwegs zufrieden mit dem, was in Verhandlungen erreicht werden konnte und verzichtet auf ein Volksbegehren. Der vom Landtag am Donnerstag noch zu beschließende Antrag sei ein »Kompromiss«, sagte der VCD-Landesvorsitzende Fritz Viertel. Über die genaue Ausgestaltung des Mobilitätsgesetzes werde man noch hart verhandeln müssen. »Wir hätten uns gewünscht, mit konkreteren Eckpunkten in den bevorstehenden Dialogprozess zu starten«, erklärte der VCD-Landeschef. Der vorliegende Kompromiss biete vor allem die Chance, zeitnah erste Entscheidungen auf den Weg zu bringen. »Ein Volksbegehren hätte unsere Position erneut bestätigt, den Prozess aber weiter verzögert. Zeit, die wir angesichts des voranschreitenden Klimawandels und der zahlreichen Verkehrsprobleme im Land nicht haben.«

Viertel arbeitet als Referent der Linksfraktion, die der Vereinbarung zunächst mit einer gewissen Skepsis gegenüberstand. »Ich sitze hier nicht als Referent der Linksfraktion«, stellte Viertel am Dienstag klar. Die Linke müsse aushalten, dass »wir mit der Koalition verhandeln«. Es wüssten alle Beteiligten, »mit welchem Hut sie am Tische sitzen«.

In Gang gesetzt worden sei ein Dialog, an den das Bündnis zwischenzeitlich nicht geglaubt habe. Es sei »sehr erfreulich«, dass es dazu noch gekommen sei. Allerdings müsse man den Fortgang aufmerksam verfolgen, mit dem Papier allein sei »noch keine Verkehrswende erreicht«, so Viertel. Über verbindliche Aussagen zur Entwicklung der Radwege freute sich Stefan Overkamp vom Fahrradclub ADFC. Das Rad werde von einem Anhängsel des Autoverkehrs zu einem gleichwertigen Verkehrsmittel, sagte er.

Zu den Eckpunkten für ein Mobilitätsgesetz gehört auch, Straßenbauvorhaben zu überprüfen und stillgelegte Bahnstrecken zu reaktivieren. Die zwischenzeitlich drohende Ablehnung der Volksinitiative hatte die SPD mit den Kosten zu rechtfertigen versucht. »Wir fordern kein Geld, das nicht vorhanden ist, aber gerade bei Finanzengpässen müssen alle Verkehrsmaßnahmen überprüft werden, nicht nur die von uns geforderten Maßnahmen zur Verkehrswende«, erklärte Franziska Sperfeld, Landeschefin des Bundes für Umwelt und Naturschutz.

SPD-Fraktionschef Erik Stohn verlangte jetzt, die gemeinsam definierten Ziele müssten »durch Angebote, nicht durch Verbote erreicht werden«. CDU-Fraktionschef Jan Redmann räumte ein, dass sich »viele im ländlichen Raum abgehängt« fühlen.

Der Landtagsabgeordnete Christian Görke (Linke) sagte, nach seltsamen Verrenkungen habe die Koalition noch »die Kurve bekommen«. Die angekündigte Annahme der Volksinitiative unter Bedingungen werde von den Linksfraktion begrüßt, da sie eine Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ermögliche. Durch eine Große Anfrage zur »Situation des öffentlichen Nahverkehrs in Brandenburg« will die Linke Zahlen und Fakten unter anderem zu Fahrzeugflotten, Finanzierung und Barrierefreiheit zusammentragen. Die Klimakrise erfordere die Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes. Noch erledigen die Brandenburger 43 Prozent ihrer Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit Bus und Bahn. Angestrebt ist, diesen Anteil bis zum Jahr 2030 auf 60 Prozent zu erhöhen. Dazu seien konkrete Maßnahmen erforderlich, sagte Görke. Er erinnerte, dass die Planungen zur Wiederinbetriebnahme alter Bahnstrecken leider von einem »Schneckentempo« geprägt seien.

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