Wie hingetuscht

Plattenbau

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit dem Alter fängt man ja an, sich für Countrymusik und aber auch für virtuos aufspielende Akustikgitarrenunternehmungen zu interessieren. Der Kauf von Pat-Metheny-Alben ist ein sicherer Indikator dafür, dass das Leben in die zweite und letzte Hälfte hinübergleitet. Das neue, »Road to the Sun«, verbreitet Frieden und eine jedes Unbill sanft, aber bestimmt auflösende Schönheit. Die Virtuosität der Musikerinnen und Musiker, die hier ans Werk gehen, ist beeindruckend, alles an diesen Klängen strahlt Hochwertigkeit ab. Noch vor fünf Jahren hätte ich diese Musik in ihrer Perfektion abgelehnt, rigoros, inzwischen freue ich mich, dass es so etwas gibt.

Metheny, in technischer Hinsicht wohl einer der besten Jazz-Gitarristen zurzeit, hat zwei lange Stücke komponiert, die er von anderen hat einspielen lassen. Das erste wird vom klassischen Gitarristen Jason Vieaux gespielt. Das in vier Teile aufgeteilte »Four Paths of Light« zeigt sehr schön, wo die Qualitäten von Methenys Musik liegen: Oberflächlich klingt alles einfach - und wenn man sich dann beim Hören auf Strukturen und Melodieführung konzentriert, tun sich Welten auf. Das vom Los Angeles Guitar Quartet eingespielte, sechsteilige Titelstück entfaltet sich in einer knappen halben Stunde in viele Richtungen und bleibt doch immer homogen - Folk-, Flamenco-, Jazz-Versatzstücke, Klassisches, dann kurz dissonantes Geräuschgeschubber (das an die manchmal vergessenen Impro-Ruppigkeiten erinnert, die sich in Pat Methenys Werk auch finden lassen). Das letzte Stück, eine für eine 42-saitige Gitarre adaptierte Einspielung von Arvo Pärts »Für Alina«, ist schöner Gitarren-Ambient.

Trotz der Vielfalt wirkt alles wie aus einem Guss, und wenn das britische Musikmagazin Pat Metheny als den »most sophisticated harmonist in contemporary music« bezeichnet, kann man das auch in einem weiteren Sinne verstehen: Die Stücke auf »Road to the Sun« lassen, für Momente, die Welt so erscheinen, als wäre alles in ihr im Gleichgewicht. Heißt auch, man wird potenziell doch sehr betulich beim Hören.

Die Virtuosität der hierzulande noch vollkommen unbekannten Fingerstyle-Gitarristin Yasmin Williams ist anders gelagert, eine 42-saitige Gitarre braucht es da nicht. Auf ihrem zweiten Album »Urban Driftwood« sind zehn von ihr weitgehend solo gespielte Stücke versammelt (nur auf zweien sind ein Cello beziehungsweise eine Djembe zu hören). Die Akustikgitarre liegt quer auf dem Schoß, und Williams kann sie quasi mehrspurig spielen, es klingt wie ein Gitarren-Duo plus Percussion, mindestens. Glückliche, Melancholie abstrahlende Stücke wie »Sunshowers«, »Dragonfly« oder »Through the Woods« klingen direkter als die Musik Methenys, der immer auch zeigen muss, was er so alles kann. Während Yasmin Williams eine wahnsinnig gute und vor allem innovative Gitarristin ist und es in ihrer Musik nicht derart emsig hervorkehrt. Bis ins letzte Detail ausgefeilt sind die Kompositionen auf »Urban Driftwood« auch. Aber es klingt alles wie hingetuscht, und am Ende steht da ein wundervolles Bild. Wenn man gerade nur ein Gitarrenalbum hören möchte, das das Gewicht der Welt leichter werden lässt, dann dieses.

Yasmin Williams: Urban Driftwood (Spinster)

Pat Metheny: Road to the Sun (Modern Recordings/Warner)

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