Unzufriedene Ordnungskräfte

Frankreichs Polizisten sehen sich zunehmender Gewalt ausgesetzt und fordern Geld und härtere Strafen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Anliegen der Polizisten, die in der französischen Hauptstadt demonstrierten, wurde durch die Teilnahme von Innenminister Gérard Darmanin und von Politikern aller im Parlament vertretenen Parteien unterstützt - außer von der linken La France Insoumise. Auch zahlreiche Bürger waren dem Aufruf der Polizeigewerkschaften gefolgt, durch die Teilnahme ihrer Besorgnis über zunehmende Unsicherheit, Kriminalität und Angriffe auf die Polizei zum Ausdruck zu bringen. Bei der Demonstration wurden nicht nur Reden gehalten, sondern auf zwei Leinwänden auch Videos über Angriffe auf Polizisten und von Gedenkzeremonien für Todesopfer in ihren Reihen gezeigt. Der Generaldelegierte der Polizeigewerkschaft Alliance, Frédéric Lagache, rief aus: »Das Mindeste, was man von unserer Demokratie erwarten kann, ist, dass sie diejenigen schützt, die sie unter Einsatz ihres Lebens verteidigen.«

Die Unzufriedenheit in den Reihen der Polizei und Gendarmerie nimmt seit Jahren stetig zu, doch den letzten Anstoß dazu, jetzt sogar auf die Straße zu gehen, gaben zwei Morde im April und Mai. In Rambouillet wurde die Beamtin Stéphanie Monfermé vor dem Polizeirevier, in dem sie gearbeitet hat, durch einen radikalen Islamisten erstochen. In Avignon hat ein Drogendealer den Polizisten Eric Masson erschossen, als der ihn kontrollieren wollte.

Gewalt gegen Polizisten nimmt zu

Sie sind nur die jüngsten Opfer einer langen Kette von Angehörigen der Ordnungskräfte, die in den vergangenen Jahren in Ausübung ihres Dienstes das Leben verloren haben. Elf waren es allein im vergangenen Jahr. Dem steht nach Überzeugung der meisten Polizisten und Gendarmen ein zu nachsichtiger Umgang der Justiz mit den Straftätern gegenüber. So hat vor Wochen bei einem Prozess in Versailles der Freispruch von acht Jugendlichen Empörung ausgelöst: Diese waren an bandenmäßigen Überfällen auf Polizisten beteiligt. Dabei wurde das Auto angezündet, die Insassen entkamen mit schweren Verbrennungen nur knapp dem Tod.

Die Zahl solcher Vorfälle geht - parallel zur wachsenden Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft - seit Jahren steil in die Höhe. Gab es im Jahre 2000 erst 13 392 tätliche Angriffe auf Polizisten oder andere Vertreter der Staatsmacht, so waren es 2020 mit 27 659 mehr als doppelt so viele. Die Polizeigewerkschaften fordern mehr Personal und Mittel für mehr und schärfere Kontrollen durch die Ordnungskräfte, härtere Urteile der Justiz und Mindeststrafen bei Angriffen auf Polizisten und Gendarmen. Beispielsweise wurden die Mindeststrafen für Wiederholungstäter, die 2007 vom rechten Präsidenten Nicolas Sarkozy eingeführt wurden, 2012 durch seinen sozialistischen Amtsnachfolger François Hollande wieder abgeschafft. Der FKP-Vorsitzende Fabien Roussel, der an der Demonstration teilnahm, tritt für eine Gefängnisstrafe von 30 Jahren für Angriffe auf Polizisten und andere Amtsträger der Staatsmacht ein. Dagegen hat sich Jean-Luc Mélenchon, der Gründer der Bewegung La France Insoumise, demonstrativ von der »generalisierten und weiter eskalierenden Sicherheitshysterie« distanziert.

Rechte Parteien profitieren

Das Thema ist brisant wegen der im Juni anstehenden Regionalwahl und der Präsidentschaftswahl 2022. So reduziert sich das Programm der rechtsextremen Partei Rassemblement National von Marine Le Pen fast ganz auf das Thema der Unsicherheit in Verbindung mit illegaler Einwanderung. Das kommt an in der breiten Öffentlichkeit, ganz besonders bei den Ordnungskräften. Einer Umfrage von Anfang Mai zufolge wollen 44 Prozent der Polizisten und Gendarmen gleich im ersten Wahlgang für Marine Le Pen stimmen und 60 Prozent bei einer anschließenden Stichwahl gegen Emmanuel Macron.

Sicher nicht zuletzt im Bestreben, traditionelle Rechtswähler für sich zu gewinnen, hat Präsident Macron dem Thema seit Monaten große Aufmerksamkeit geschenkt und Maßnahmen veranlasst. So hat Premier Jean Castex angekündigt, dass in den nächsten zwölf Monaten 10 000 neue Stellen für Polizisten und Gendarmen geschaffen, für eine Milliarde Euro heruntergekommene Dienstgebäude renoviert und die Hälfte ihrer verschlissenen Autos durch neue ersetzt werden.

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