Saisonfinale auf den Gletschern

Dank der Reiseerleichterungen und bester Schneeverhältnisse können Wintersportler jetzt noch ein paar Abfahrten der verpassten Saison nachholen

  • Christoph Schrahe
  • Lesedauer: 4 Min.

Der kälteste April seit 40 Jahren, der Mai auf dem besten Weg zu ähnlichen Rekordmarken - was daheim den Frühjahrs-Lockdown dieses Jahr noch schwerer erträglich gemacht hat, sorgt in den Alpen für weiterhin hochwinterliche Verhältnisse. Während deutsche Skifahrer vom Jahrhundertwinter 2020/2021 wegen geschlossener Skigebiete daheim und Beschränkungen für Reisen in Länder mit geöffneten Liften so gut wie gar nichts hatten, ermöglichen die jüngsten Lockerungen es nun endlich, entgangene Pistenfreuden nachzuholen - sogar mit Einkehrschwung im Bergrestaurant. Wo man jetzt das Beste aus dem schlechten Wetter machen und einen versöhnlichen Abschluss des Skiwinters zelebrieren kann, verraten wir hier.

Kaunertal

Der Heilige Geist muss Schneesportler sein. Warum hätte er sonst am Pfingstsonntag als Krönung eines sowieso schon schneereichen Frühjahrs noch mal fast einen halben Meter Neuschnee im Gepäck haben sollen? Die zahlreich aus den Wintersaison-Totalausfallnationen Deutschland und Italien zum Kaunertaler Gletscher angereisten Skifahrer und Snowboarder, darunter viele Jugendmannschaften bayerischer Skiclubs, können ihr Glück kaum fassen. Bis zum späten Vormittag schneit es, dann reißt der Himmel auf und die Sonne taucht die großartigen Freeride-Hänge unter der Weißseespitze in gleißendes Licht. Klar, dass es da kein Halten mehr gibt - vom »Powdern« kann man Ende Mai normalerweise nur träumen.

Für viele Besucher sind es kurz vor dem meteorologischen Sommerbeginn am 1. Juni die ersten Tiefschneeschwünge des Winters überhaupt. Gelegenheit zum Nachholen verpasster Abfahrten besteht am Kaunertaler Gletscher noch bis 6. Juni, dann endet planmäßig der Skibetrieb, selbst falls es bis dahin noch häufiger Neuschnee geben sollte, wonach es aktuell durchaus aussieht. Dabei verlief der vergangene Winter für die Kaunertaler alles andere als planmäßig. Zwar öffneten die ersten Pisten pünktlich am 26. September, doch am 2. November ging Österreich in den Lockdown. Den Neustart am 24. Dezember ging man im Kaunertal nicht mit. Der Hochwinter ist hier oben ohnehin keine Hochsaison, und ein geschlossenes Bergrestaurant wollte man bei minus 30 Grad Celsius keinem Gast zumuten.

Seit 19. Mai ist der Einkehrschwung im Gletscherrestaurant auf 2750 Metern Höhe wieder möglich, wenn man entweder negativ getestet, seit mindestens 22 Tagen erstgeimpft oder genesen ist. Gleiches gilt auch für die Logis in den Hotels im Kaunertal und in ganz Österreich. Das war für die Gletscherbahnen das Signal, doch noch einmal aufzusperren - und dem regen Betrieb an den Liften nach zu urteilen, war es die richtige Entscheidung. Vermutlich sehen das auch die dort auf die nächste Bergfahrt Wartenden so, deren mutmaßliches Dauerlächeln angesichts der fantastischen Verhältnisse aber verborgen bleibt, denn in den Wartebereichen und im Lift gilt Maskenpflicht.

Pitztal

Die ungewöhnlich guten Schneebedingungen haben die Pitztaler Gletscherbahnen dazu bewogen, die ursprünglich bis zum 9. Mai terminierte Saison ebenfalls erst am 6. Juni enden zu lassen, unter dem Motto »Hol Dir Deinen Winter zurück!«. Die Pisten starten hier noch ein gutes Stück weiter oben. Bis auf über 3400 Meter führt Österreichs höchste Seilbahn. Dort oben darf man jetzt wieder ins »Café 3.440«, dessen Tische einen großartigen Blick auf Tirols höchsten Berg bieten: die zum Greifen nahe hohe Wildspitze (3774 m). Am Pfingstmontag hüllt sich die leider in Wolken. Trotzdem ist es der pure Genuss, wieder in und nicht nur 50 Meter vor einem Café zu sitzen, vor sich einen köstlichen Topfenstrudel und einen großen Braunen.

Großen Genuss bieten auch die überbreiten Pisten, die von hier oben über mehr als 700 Höhenmeter in den gewaltigen Gletscherkessel des Mittelbergferners hinabführen. Den Neuschnee des Vortags haben die Pistenraupen in eine kordsamtgleiche Unterlage verwandelt, perfekt geeignet für lang gezogene Carving-Schwünge. Nichts rutscht, nichts rattert. Der trockene, griffige Schnee könnte nicht besser sein. Leichter Schneefall und Minusgrade vervollkommnen das Gefühl, sich mit einem Zeitsprung in den Februar tatsächlich den Winter zurückgeholt zu haben. Die vielen Skiteams aus Bayern und Baden-Württemberg, mit Slalomstangen im Gepäck unterwegs, nutzen die Pfingstferien, um ihren erzwungenen Trainingsrückstand aufzuholen, ebenso wie die entgangenen Gemeinschaftserlebnisse.

Für sie fährt die erste Bahn vom kleinen Weiler Mittelberg am Ende des Pitztals schon um sieben Uhr morgens hoch zum Gletscher. Der ist dank seiner langen und rassigen Abfahrten schon seit seiner Erschließung Anfang der 1980er-Jahre Trainingsstätte zahlreicher Skinationalmannschaften, bietet am Brunnenkogellift und an der Sesselbahn Gletschersee aber auch familientaugliche leichte Abfahrten - ideal für den Wiedereinstieg nach den langen und für viele im Wortsinn schwunglosen Monaten des Lockdowns.

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