Nur Bares ist Wahres - stimmt das immer noch?

die Corona-pandemie ändert den Umgang mit Geld

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Pandemie verändert auch die Art und Weise, wie wir mit unserem Geld umgehen. Jeder dritte Verbraucher in Deutschland hat bereits sein Zahlungsverhalten geändert.

Die wichtigste Änderung: Ein Viertel zahlt häufiger mit Karte als noch vor der Corona-Krise. Das Ergab eine Umfrage von Ernst & Young. 16 Prozent der Befragten verzichten im Gegenzug sogar ganz auf Bargeld oder führen weniger mit sich. Und wer sich einmal an Neuerungen gewöhnt hat, will in der Regel nicht zurück zu seinen alten Verhaltensweisen. Doch was bedeutet dies in der Praxis?

Im Handel seien durch die verstärkte Kartenzahlung im vergangenen Jahr mehr als 70 Milliarden Euro weniger als im Vorjahr eingesetzt worden, berichtet Harald Olschok. Er ist Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Geld- und Wertdienste (BDGW). Das hat zunächst erhebliche Auswirkungen auf diese Branche. Die Bundesvereinigung gibt ihren Umsatzrückgang bei Geldtransporten mit »etwa 25 Prozent« auf rund 450 Millionen Euro im Jahr 2020 an.

Probleme der Geldtransporteure

Unter den Geldtransportern tummeln sich neben großen Anbietern wie Kravag und Prosegur auch kleinere Unternehmen. Die Bundesvereinigung vertritt als Wirtschafts- und Arbeitgeberverband die Interessen von 29 Geld- und Wertdienstleistern, mit insgesamt 83 Niederlassungen. Diese repräsentieren nach Verbandsangaben circa 90 Prozent des Marktes. Hinzu kommen 24 außerordentliche Mitglieder, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen wie Versicherungen, Spezialfahrzeugen und Sicherheitstechnik zum Bargeldkreislauf beitragen.

»Die Pandemie hat unsere Branche hart getroffen«, klagt Harald Olschok. Nach einem kurzen Anstieg der Bargeld-Nachfrage zu Beginn der Corona-Krise sei diese im weiteren Verlauf enorm abgesackt. Dabei ist die Bargeldmenge nach Angaben der Bundesbank 2020 sogar stark gestiegen. Aber das Geld wurde nicht mehr so viel bewegt, sondern gehortet. Im Ergebnis haben die Firmen die Zahl ihrer Geldtransporter verringert und einige Hundert Arbeitsplätze gestrichen.

Die Nachfrage nach Bargeld wird immer noch durch den Lockdown dominiert, auch wenn Verbraucher weiterhin verstärkt auf digitale Bezahlmethoden - vor allem im Online-Handel - zurückgreifen.

Der BDGW erwartet zwar, dass die Nachfrage wieder ansteigen wird, sobald Geschäfte, Hotellerie, Gastronomie und kulturelle Angebote wieder im Normalbetrieb laufen. Doch dass Bargeld im Zahlungsverkehr wieder Vorkrisenniveau erlangt, ist nicht zu erwarten. Der Trend zu bargeldlosen Zahlungsmethoden werde sich fortsetzen.

Dabei spricht aus Verbrauchersicht einiges für Bargeld. Scheine und Münzen sind ein verlässliches Zahlungsmittel, unabhängig vom störanfälligen Internet und von Online-Verbindungen, die gehackt werden können. So wird der Euro auch zukünftig als harte Währung auf Reisen eine große Rolle spielen. Bargeld erlaubt allen Verbrauchern eine gleichberechtigte Teilhabe am Zahlungsverkehr. Es ist zudem ein Datenschützer. »Ohne Bargeld«, so Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht, »ist der Kleinsparer den Banken völlig ausgeliefert.«

Bargeldinfrastruktur in Gefahr

Der Trend zum Online-Banking geht auf Kosten der Infrastruktur für Bargeld. Die Zahl der Bankfilialen sank von 2010 bis 2019 von 40 000 auf weniger als 27 000. »Sollte die Zahl an Filialen in ländlichen Regionen weiter abnehmen«, so Harald Olschok, »wird die Bargeldversorgung noch teurer.«

Diese Entwicklung begünstige das bargeldlose Bezahlen zusätzlich und nehme den Kunden einen Teil der Freiheit, selbst über ihr Zahlverhalten zu entscheiden.

Vor diesem Hintergrund unterstützt der BDGW die 2020 gegründete Initiative »Bargeld zählt!«. Sie steckt allerdings noch in den berühmten Kinderschuhen. »Bargeld zählt!« hat sich zum Ziel gesetzt, Zugang, Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld in Deutschland sicherzustellen.

In einer Auftaktveranstaltung der Aktion machte sich Andrea Heyer, Referatsleiterin Finanzdienstleistungen der Verbraucherzentrale Sachsen, für »Selbstbestimmung im Zahlungsverkehr« stark. Die freie Wahl von Zahlungsmitteln müsse erhalten bleiben. Die Initiative hofft, Politiker für das Thema »Bargeldversorgung« zu sensibilisieren, eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen. So solle ein Recht auf Barzahlung auch gesetzlich verankert werden.

Noch steht die Bargeld-Infrastruktur

Wer in Deutschland mit Bargeld zahlen will, dem sind fast keine Grenzen gesetzt. Einzige Bedingung: Ab 10 000 Euro muss man sich ausweisen. Andere Länder in der Europäischen Union sind da sehr viel strikter. So dürfen in Griechenland Produkte oder die Miete für eine Ferienwohnung über 500 Euro bereits nicht mehr in bar bezahlt werden - angeblich um Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu erschweren. Noch rigoroser geht Schweden vor. In vielen Läden und Tankstellen kann dort nur noch per Karte bezahlt werden. In der EU-Kommission kursiert laut Medienberichten ein Diskussionspapier, das für eine EU-weite Obergrenze für Barzahlungen plädiert.

Bereits 2016 warnte der Verbraucherzentrale Bundesverband: Der Preis für eine Welt ohne Bargeld ist hoch. Auf der Internetseite des vzbv (www. vzbv.de) finden sich weitere Informationen zur Bargeld-Debatte.

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