»Unsere Niederlage ist Dutertes pure Wunschträumerei«

Die interimistische Vorsitzende der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen Julieta de Lima über das letzte Amtsjahr von Präsident Duterte und seinen antikommunistischen Feldzug

  • Rainer Werning
  • Lesedauer: 4 Min.

Am 13. Mai erwähnte der philippinische Nationale Sicherheitsberater Hermogenes Esperon, Jr. bei einer Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof unter anderem Sie sowie 18 weitere Personen, die er für »Terroristen« hält. Wer ist dieser Esperon und was ist seine Agenda?

Esperon ist einer dieser pensionierten Armeegeneräle mit extrem beschränkter Haftung, die sich als rabiate antikommunistische Betonmischer gerieren. Dessen Ernennung zu seiner jetzigen Position ist Teil von Dutertes Bestreben, die zivile Bürokratie in den Philippinen zu militarisieren und zu faschisieren. Er diente unter Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo von 2006 bis 2008 als Generalstabschef und war verantwortlich für die zahlreichen außergerichtlichen Tötungen von vermeintlich linken Personen und Verhaftungen fortschrittlicher Kräfte, was die UNHCR als Verletzung der Menschenrechte anprangerte. Nach seiner Pensionierung wurde er 2008 zum präsidialen Berater für den Friedensprozess zwischen der Regierung in Manila und der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP), dem revolutionären Bündnis aus insgesamt 18 Mitgliedsorganisationen, ernannt. Doch in dieser Position tat er alles, um Fortschritte in diesen Verhandlungen zu sabotieren, weil das übergeordnete Ziel der Regierung darin besteht, die demokratische Revolution abzuwürgen und das ungerechte, unterdrückerische Herrschaftssystem der US-Imperialisten und ihrer lokalen reaktionären Klassen von Großgrundbesitzern, Kompradoren und bürokratischen Kapitalisten zu erhalten.

Im Interview

Julieta de Lima studierte in den 60er Jahren an der staatlichen University of the Philippines in Diliman, Quezon City, und engagierte sich in der radikalen Studentenbewegung. Dort lernte sie auch ihren Mann kennen, José Maria Sison, der mit Gesinnungsgenossen 1968 die neue Kommunistische Partei der Philippinen (CPP) gründete und zu deren Vorsitzendem avancierte. Julieta de Lima und ihr Mann zählten bis zum Sturz des Despoten Ferdinand E. Marcos (1965-1986) im Frühjahr 1986 zu den prominentesten politischen Gefangenen in dem südostasiatischen Staat. Um einer Verfolgung zu entgehen, begaben sie sich ins Exil im niederländischen Utrecht. Dort lebt das Paar seit über drei Jahrzehnten, wo Frau de Lima u. a. als Vorsitzende des International Network of Philippine Studies (INPS) die Werke ihres Mannes ediert. Das Gespräch führte Rainer Werning.

Wie kommt es, dass das Duterte-Regime so sehr darauf bedacht ist, den Kommunismus ein für alle Mal auszumerzen, wenn man bedenkt, dass er in den Philippinen seit der Aufhebung des Anti-Subversionsgesetzes im Jahr 1992 nicht länger mehr illegal ist?

Obwohl der damalige Präsident Fidel V. Ramos das Anti-Subversionsgesetz 1992 aufhob, um Friedensverhandlungen mit der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) zu beginnen und einen vermeintlich freien Markt konkurrierender Ideen vorzutäuschen, bedeutete dies in der Konsequenz, die CPP zur Preisgabe ihres langwierigen Volkskrieges zu bewegen. Aber die Partei ist immer wachsam gegenüber solchen Machenschaften gewesen und hält an ihrer ideologischen, politischen und organisatorischen Linie fest. So hat die Partei durch die NDFP die Gemeinsame Erklärung von Den Haag vom September 1992 als Rahmen für die Verhandlungen festgelegt und es vermieden, sich in den verfassungsmäßigen Rahmen der Regierung der Republik der Philippinen einbinden zu lassen und somit ihre Integrität gegenüber dem reaktionären Staat gewahrt.

Sämtliche Regierungen seit der Gründung der CPP 1968 zur Zeit von Ferdinand E. Marcos, der daraufhin am 21. September 1972 das Kriegsrecht verhängte und eine faschistische Diktatur errichtete, haben versucht, die CPP zu zerstören. Das geschah entweder durch offene Gewalt, durch palmwedelnde Angebote von Waffenstillstandsverhandlungen oder schließlich qua diverser Aufstandsbekämpfungs- beziehungsweise Counterinsurgency-Programme in Gestalt sogenannter Operationspläne, die allesamt und ausnahmslos dem Leitfaden zur Aufstandsbekämpfung der US-Armee entlehnt waren. Das Duterte-Regime ist der brutalste und dümmste Nachfolger und Nachahmer von Marcos. Es setzt dumpf Kommunismus mit Terrorismus gleich, betreibt einen Staatsterrorismus und scheint wild entschlossen zu sein, eine faschistische Diktatur à la Marcos zu errichten.

Seit dem sehr frühen Tod des NDFP-Delegationsleiters bei den Friedensverhandlungen mit Manila, Fidel V. Agcaoili, im Sommer vergangenen Jahres fungieren Sie interimistisch als dessen Nachfolgerin. Ist schon absehbar, wer Ihnen in dieser Position nachfolgt?

Ich habe bereits mehrfach darum gebeten, von dieser Position entbunden zu werden. Aber wie ich höre, suchen der NDFP-Nationalrat und die CPP-Führung immer noch nach einem Nachfolger für mich. Glücklicherweise oder unglücklicherweise hat es seit Anfang 2020 keinerlei Verhandlungen mehr mit dem Regime in Manila gegeben. Ich habe der Führung Namen von geeigneten jungen Personen vorgeschlagen, aber es scheint, dass der Fokus der Bewegung auf der Stärkung der revolutionären Kräfte liegt, insbesondere beim Aufbau der breiten Einheitsfront für den Sturz von Duterte. Ich vermute, dass deshalb alle möglichen Kader in unserem Land mehr gebraucht werden. So warte ich halt geduldig auf die Entscheidung der Führung.

Die sogenannte Nationale Task Force zur Beendigung des lokalen kommunistischen bewaffneten Konflikts (NTF-ELCAC) ist wild entschlossen, ihren Krieg bis zum Ende von Dutertes offizieller Amtszeit am 30. Juni 2022 zu gewinnen. Ist da Wunschdenken im Spiel?

Ja, es ist Wunschdenken oder Wunschträumerei. Jedes Regime hat mit Hilfe der US-Imperialisten davon geträumt, die revolutionäre Bewegung des Volkes auszulöschen, aber die Bewegung hat sich durchgesetzt und wird sich gegen alle repressiven Kräfte auch weiterhin durchsetzen, die sich ihr in den Weg stellen. Die Ursachen für die neue demokratische Revolution durch einen langwierigen Volkskrieg bestehen aufgrund der extrem unterdrückerischen und ausbeuterischen halbkolonialen und halbfeudalen Bedingungen fort. Durch Dutertes schwere Verbrechen wie Verrat, Tyrannei, Terrorismus, Plünderung und Täuschung werden diese Bedingungen noch verschärft. Unwissentlich ist er der beste Rekrutierer von Revolutionären, indem er Verbrechen begeht, welche die Menschen dazu bewegen, sich der bewaffneten revolutionären Bewegung anzuschließen.

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