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  • Eisenbahn durchs Havelland

Klotzen gegen das Pendlerleid

Sechs Gleise sollen Berlin und Falkensee dereinst verbinden - frühestens in 15 Jahren

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Eisenbahnstrecke von Berlin-Spandau durchs Havelland nach Nauen sei »ein Korridor, der heute schon überlastet ist und viele Probleme aufwirft«, sagt Hartmut Reupke. Der Abteilungsleiter Verkehr bei der Berliner Senatsverwaltung beschreibt damit, die Lage, die Zehntausende Pendlerinnen und Pendler vor allem aus Falkensee, aber auch aus Spandau Richtung Berliner Zentrum täglich erleben: Überfüllte und oft unpünktliche Regionalzüge.

Jahrzehntelanger Streit um das Projekt

Das grundsätzliche Ziel steht seit September vergangenen Jahres fest: Zwischen Spandau und Falkensee sollen vier zusätzliche Gleise zu der bestehenden zweigleisigen Strecke gebaut werden: Zwei für die zu verlängernde S-Bahn und zwei für den Regionalverkehr, der damit unabhängig vom immer dichteren Fernverkehr nach Hamburg werden soll.

Jahrzehntelang war der Ausbau diskutiert worden, doch der Streit, ob die lange geplanten zwei zusätzlichen Gleise der S-Bahn oder Regionalzügen dienen sollten, blockierten jedes Vorankommen. »Ich freue mich, dass wir es geschafft haben, die lange Diskussion ad acta gelegt zu haben«, sagt Detlef Höppe vom Referat Eisenbahn und öffentlicher Personennahverkehr im brandenburgischen Infrastrukturministerium. »Wir versuchen, beides zu verwirklichen, und das macht aus verkehrlicher Sicht auch Sinn.«

Ausbau dürfte Milliarden verschlingen

Über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich am Dienstagabend zur ersten öffentlichen Informationsveranstaltung zu dem Megaprojekt online zugeschaltet, zu dem neben den beiden Ländern auch die Netzgesellschaft der Deutschen Bahn und der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) eingeladen haben. »Wir stehen ganz am Anfang eines Planungsprozesses. Es ist noch ein langer Weg dahin, bis die Bagger rollen«, sagt VBB-Chefin Susanne Henckel.

Nach derzeitigem Stand soll die Planfeststellungsgenehmigung für den Ausbau im Jahr 2029 vorliegen. Der Bau an sich wird einige Jahre dauern, möglicherweise erst Ende der 2030er Jahre könnte er fertiggestellt sein. Vor drei Jahren startete die Grundlagenermittlung, am Dienstag fiel mit dem Zuschlag der Ausschreibung an ein Planungsbüro der Startschuss für die Vorplanung, wie Evelyn Gollasch von DB Netz berichtet. Dafür sind drei weitere Jahre veranschlagt. Dazu wird der komplette Bereich der Strecke vermessen und der Baugrund erkundet. Denn entlang der rund 23 Kilometer langen Strecke sind allein 82 Brücken betroffen.

»Ein ganz wesentliches Thema ist auch die Kostenschätzung«, sagt Gollasch. Der Ausbau dürfte Milliarden verschlingen. In München werden zurzeit für fünf Kilometer Ausbau von zwei auf vier Gleise 900 Millionen Euro Baukosten veranschlagt - für eine oberirdische Lösung. Die Stadt verlangt aber eine Tunnelstrecke - mit geschätzten Kosten von 2,4 Milliarden Euro. Auch in Berlin wird ein Tunnel untersucht. Die S-Bahn könnte nach dem Bahnhof Stresow abtauchen, die Spree unterqueren und hinter dem Bahnhof Spandau, am geplanten neuen S-Bahnhof Nauener Straße wieder an die Oberfläche kommen.

Mögliche Enteignungen und Hausabrisse

Mindestens bis zum Bahnhof Falkensee, vielleicht auch bis Finkenkrug, eine Station weiter, soll die S-Bahn nach VBB-Planungen im Zehn-Minuten-Takt verkehren. In Berlin sollen zwei zusätzliche S-Bahn-Stationen entstehen, die Halte Albrechtshof und Seegefeld in Falkensee sollen von ihr übernommen werden, Regionalzüge dort künftig durchfahren. Außerdem soll in Berlin ein Abzweig auf der Strecke der Havelländischen Eisenbahn mit zwei Bahnhöfen ins Falkenhagener Feld untersucht werden. Die entsprechende Planungsvereinbarung soll bis Jahresende unter Dach und Fach sein.

Gerade Havelländer zeigen sich in den im Chat gestellten Fragen unzufrieden über mögliche Fahrzeitverlängerungen nach Berlin aus Albrechtshof und Seegefeld. Auch in Spandau nutzen viele Menschen die deutlich schnelleren Regionalzüge ins Berliner Zentrum statt der S-Bahn. Der VBB untersucht daher auch die Einführung einer Express-S-Bahn, mit der die Fahrzeit nur rund sechs Minuten länger wäre als bei der heutigen RB14.

»Ich bin heute vielleicht ein paar Minuten schneller, aber letztlich stehe ich 20 Minuten länger am Bahnsteig, bis der Zug kommt«, sagt Bernd Arm, Abteilungsleiter Angebot und Infrastruktur beim VBB. Die S-Bahn soll schließlich alle zehn Minuten fahren. Wegen des dichteren Takts werde Umsteigezeit gespart, auch können durch die häufigeren Halte viele Ziele direkt erreicht werden.

Eine weitere große Sorge sind mögliche Enteignungen und Hausabrisse entlang der Strecke. Eingriffe seien unvermeidbar, räumt Evelyn Gollasch von DB Netz ein. »Wir wollen uns bei Trassierungsstudien sehr viel Mühe geben.« Bereits in der Voruntersuchungen habe man Bereiche identifiziert, an denen die S-Bahn vielleicht mit nur einem Gleis auskommen könne, »um die Bebauung zu schonen«. Bis zum Jahresende wisse man mehr, dann soll die Trassierungsstudie vorliegen.

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Immerhin schon in rund anderthalb Jahren können sich die Havelländer auf einen zusätzlichen Zug pro Stunde freuen. Der RE2 aus Cottbus soll dann zwischen Spandau und Nauen an allen Bahnhöfen halten und in Nauen enden. Der neue RE8 wird die Strecke ab Wismar nach Berlin übernehmen.

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