Das Saarland als letzte Bastion

Vor dem Bundesparteitag der Linken sorgten Äußerungen von Oskar Lafontaine für Unmut in der Partei, die sich in einem Umbruch befindet

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

Alle Äußerungen, die man in den vergangenen Wochen von Oskar Lafontaine gehört hat, deuten darauf hin, dass der frühere Vorsitzende nur noch voller Wut ist, wenn er an einige Genossen in den eigenen Reihen denkt. Lafontaine hat die Saarländer indirekt dazu aufgerufen, die Linke bei der Bundestagswahl im September nicht zu wählen. »Jeder, der bei der kommenden Bundestagswahl im Saarland bei der Zweitstimme die Linke ankreuzt, stimmt für den Kandidaten Thomas Lutze und damit für eine Politik und ein Verfahren innerparteilicher Willensbildung, die von Sahra Wagenknecht und mir grundsätzlich abgelehnt werden«, sagte der saarländische Fraktionschef kürzlich. Unabhängig davon wie man den Konflikt zwischen Lafontaine und dem Bundestagsabgeordneten Lutze bewertet, gibt es keine Zweifel daran, dass Lafontaine seiner Partei mit diesem Aufruf Schaden zufügt.

Dabei schwingt auch viel Frustration mit. Denn das einst vor allem von Lafontaine, Lothar Bisky und Gregor Gysi vorangetriebene Projekt Linkspartei stößt an seine Grenzen. Es sollte eine linke Partei entstehen, die im gesamten Bundesgebiet erfolgreich ist, nicht nur im Osten. Mittlerweile sind auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik nur in den Bürgerschaften von Hamburg und Bremen sowie in den Landtagen von Hessen und dem Saarland Fraktionen der Linken vertreten, während die Partei gleichzeitig im Osten schrumpft. An der Saar wählten 2017 immerhin 12,8 Prozent die Linke.

In diesem Bundesland, wo Lafontaine einst als SPD-Politiker Ministerpräsident war, hat er sich als Linksfraktionschef eine Bastion aufgebaut. Er wird bald 78 Jahre alt und will sich noch immer nicht von der Politik trennen. Im Bundesverband der Linken tritt Lafontaine kaum noch in Erscheinung. Seine Beiträge zur Bundespolitik sind Interviews oder Statements auf Facebook, die zuweilen Unmut bei zahlreichen Genossen auslösen.

Die vor fast genau 14 Jahren gegründete Linkspartei sollte auch eine Heimat für enttäuschte Sozialdemokraten und Gewerkschafter werden. Nach der ersten Euphorie, dem Wachstum der Partei und Wahlerfolgen in der Anfangszeit muss nun konstatiert werden, dass es in absehbarer Zeit wohl keine Übertritte in großer Zahl von der SPD zur Linken mehr geben wird. Somit war auch der Versuch von Lafontaine und Wagenknecht, mit der Bewegung »Aufstehen« linke Kräfte zusammenzubringen, aus der Zeit gefallen. Denn dieser zielte nicht unwesentlich auf enttäuschte Sozialdemokraten ab. Wer sich für die SPD entschieden hat und trotz der Politik der Großen Koalition in der Partei geblieben ist, wird sie in der Regel nicht mehr in Richtung Linkspartei verlassen.

Das zeigen auch Statistiken zu den Neueintritten. In den zwei Wochen nach dem Bundesparteitag im Februar, auf dem Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow zu den neuen Vorsitzenden gewählt wurden, traten 350 Frauen und Männer neu in die Linkspartei ein. Es handelte sich vor allem um junge Menschen. Damals wurde bekannt, dass zwei Drittel der Neueintritte Jahrgang 1986 oder jünger waren. 36 Prozent aller neuen Mitglieder waren in diesem Zeitraum Frauen. Nur 20 Prozent wechselten von SPD, Grünen und der Satirepartei Die Partei zur Linken.

Wer neu in die Partei kommt, stammt meist aus einer Bewegung. Dabei geht es um Umwelt und Klima, Asyl, Tierschutz, Feminismus und andere Themen. So ist es auch kein Zufall, dass der Zusammenschluss mit dem Namen »Bewegungslinke« eine immer wichtigere Rolle in der Linken spielt. Auf dem vergangenen Parteitag wurden einige »Bewegungslinke« in den Vorstand gewählt.

Auch bei der Listenaufstellung für die Bundestagswahl haben ältere Linke-Politiker in den vergangenen Wochen zu spüren bekommen, dass sich die Zusammensetzung der Partei verändert und jüngere Menschen nach vorne drängen. So steht etwa der langjährige Bundestagsabgeordnete Diether Dehm nur noch auf dem unsicheren sechsten Platz der Landesliste Niedersachsen. Beim Wettbewerb um den vierten Platz unterlag er dem überregional unbekannten Nachwuchspolitiker Mizgin Ciftci. Die Linke wird insgesamt jünger und westdeutscher und erfreut sich in Ballungsräumen größerer Beliebtheit. Aber in den meisten westdeutschen Ländern ist der Erfolg bei Landtagswahlen ausgeblieben.

Auch muss bedacht werden, dass in naher Zukunft das Personal in der Linken nicht komplett ausgetauscht wird. So setzte sich die frühere Bundestags-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht auf dem ersten Platz der Landesliste Nordrhein-Westfalen durch. Auch einige Unterstützer von ihr finden sich auf den vorderen Listenplätzen. Für die Führungen in Fraktion und Bundespartei wird es weiter keine leichte Aufgabe sein, die unterschiedlichen Strömungen zusammenzuhalten. So tourt Wagenknecht einmal mehr durch die Talkshows und gibt Interviews wie kürzlich dem »Tagesspiegel«, in denen sie Teilen ihrer Partei vorwirft, sich »an Diskussionen um Lebensstilfragen und Gendersprache zu beteiligen, also an Debatten, die viele Menschen als belehrend empfinden«.

Die Konflikte in der Partei lassen sich nicht immer auf Gegensätze zwischen jüngeren und älteren Politikern reduzieren. Im Saarland hatte Lafontaine die Kandidatur des 27-jährigen Landtagsabgeordneten Dennis Lander unterstützt, der im Wettbewerb um Listenplatz eins gegen Thomas Lutze angetreten war, der seit 2009 im Bundestag sitzt. Lutze hatte bei der saarländischen Mitgliederversammlung den Sieg davongetragen. Zwar genießt Lafontaine den Rückhalt der Landtagsfraktion, aber das Abstimmungsergebnis ist ein Hinweis darauf, dass seine letzte Bastion im Südwesten Deutschlands bröckelt.

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