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CDU grün vor Neid

Landesverband Berlin nominiert Kai Wegner für das Amt des Regierenden Bürgermeisters

Kai Wegner hält mit einem Fahrrad bei einem Taxifahrer und unterhält sich mit ihm. Kai Wegner sitzt mit jungen Leuten im Abendlicht und trinkt mit ihnen. Kai Wegner steht mit einem Kind auf einem Spielplatz vor einer Torwand und versenkt den Ball elegant rechts unten. Im Video präsentiert die CDU ihren Landesvorsitzenden als freundlichen und dynamischen Mann, der die Nähe der Berliner sucht und - wie könnte es anders sein - Anklang findet.

Am Sonnabend wählen ihn 254 Delegierte eines CDU-Landesparteitags im Estrel-Hotel zu ihrem Kandidaten für das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. Es gibt lediglich 20 Gegenstimmen und sieben Enthaltungen. Das hat freilich nur symbolische Bedeutung. Denn die CDU tritt bei der Abgeordnetenhauswahl am 26. September statt mit einer Landesliste mit zwölf Bezirkslisten an. Dennoch nimmt Kai Wegner das Ergebnis der Abstimmung befriedigt zur Kenntnis. »Ja, ich will Regierender Bürgermeister von Berlin werden«, bekräftigt er. »Und dieser Tag gibt enormen Rückenwind.« Mit einem ähnlichen Ergebnis - 245 Ja-Stimmen, 24 Nein-Stimmen und zehn Enthaltungen - wird Wegner von den Delegierten dann auch noch als Landesvorsitzender bestätigt. Außerdem verabschiedet die CDU ihr Wahlprogramm für die Abgeordnetenhauswahl.

Gemessen an der letzten, am 16. Juni veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap könnte Kai Wegner am Abend des 26. September tatsächlich als Wahlsieger dastehen. Denn mit 21 Prozent liegt die CDU jetzt nur noch ein Prozent hinter den bisher noch führenden Grünen zurück. Deren zuletzt sehr gute Werte sinken langsam, während die CDU sich verbessert und seit Ende April schon neun Prozent aufgeholt hat. Trotzdem hätte Wegner noch gar nichts gewonnen, wenn er an der Spitzenkandidatin der Grünen, Bettina Jarasch, vorbeizieht. Schließlich wäre er zusammen mit der FDP, die bei neun Prozent steht, noch weit von einer Mehrheit im Parlament entfernt. Währendessen würde es für die Fortsetzung der rot-rot-grünen Koalition mit 22 Prozent für die Grünen, 17 für die SPD und zwölf Prozent für die Linke reichen.

Darum versucht Wegner, eine Wechselstimmung herbeizureden. »Nach fünf Jahren Rot-Rot-Grün braucht Berlin einen Neustart in fast allen Politikbereichen«, behauptet er. Die Stadt sei jetzt ein »gefesselter Riese« und bleibe »unter ihren Möglichkeiten«. Der Senat befinde sich im »administrativen Wachkoma«, und deshalb werde man ihn ablösen.

Dass der Senat versagt habe, versucht Wegner am Beispiel eines Mannes aus dem Stadtteil Tempelhof zu illustrieren, der zweimal quer durch die Stadt bis nach Lichtenberg fahren musste, um einen Personalausweis zu beantragen und abzuholen. Das ist tatsächlich Alltag in der Hauptstadt. Allerdings war es noch schlimmer, als die CDU von 2011 bis 2016 als Juniorpartner der SPD mitregierte und für das Innenressort verantwortlich zeichnete. Damals waren oft überhaupt keine Termine in den Bürgerämtern zu bekommen.

Das gibt CDU-Generalsekretär Stefan Evers indirekt zu. Er schimpft zwar auch: »Alle Berliner sind es leid, dass in dieser Stadt die einfachsten Dinge nicht mehr funktionieren.« Evers gesteht jedoch offen ein, dass sich die CDU bis zu ihrer Abwahl im Jahr 2016 »nicht mit Ruhm bekleckert« habe und die bittere Wahlniederlage der Partei seinerzeit nicht unverdient gewesen sei.

Doch wenn die CDU am 26. September wieder ans Ruder käme, soll alles ganz anders und viel besser werden. Kai Wegner verspricht, dass die 120 000 Beschäftigten im Landesdienst wieder stolz auf ihren Job sein können. Angeblich trauen diese sich gegenwärtig nicht mehr zu sagen, wo sie arbeiten. Es sei ihnen peinlich. Wegner verspricht die Verbeamtung der Lehrer, die in Berlin überwiegend nur angestellt sind. »Wenn 15 Bundesländer ihre Lehrer verbeamten, kann Berlin keinen Sonderweg gehen«, meint er. Wegner verspricht außerdem den Weiterbau der umstrittenen Stadtautobahn A 100. Das stellt er ernsthaft als Beitrag zum Umweltschutz hin - mit der Begründung, dies werde Autoverkehr aus der Innenstadt heraushalten. Weiterhin stellt sich der Kandidat gegen die Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände, wie sie das Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen verlangt. 36 Milliarden Euro Entschädigung würde diese Enteignung kosten, und man hätte keine einzige neue Wohnung gebaut, keinen einzigen Polizisten eingestellt, keinen einzigen Kitaplatz geschaffen, rechnet Wegner vor. Andere rechnen freilich anders.

Der CDU-Politiker möchte auch verhindern, dass amtliche Schreiben in einer geschlechtergerechten Sprache abgefasst werden und Studierende an den Universitäten zu einer solchen Sprache »gezwungen« werden. »Das Gendern zerstört die Schönheit unserer Sprache, das Gendern zerstört Lesefluss und Verständlichkeit«, sagt er - und wirft den Grünen vor, die Bevölkerung umerziehen und den Menschen sogar vorschreiben zu wollen, wie sie zu sprechen haben. Er sei auch für ein klimaneutrales Berlin, versichert Wegner, aber die Bevormundung durch die Grünen könne sich nicht jeder leisten. Es lebten in der Stadt nicht nur besserverdienende Wähler der Grünen, die ein Elektroauto als Zweitwagen in der Garage haben und doppelt so hohe Stromrechnungen sowie teure Flugreisen leicht bezahlen können. Den Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) nennt Wegner einen »Schutzpatron linker Gewalttäter«, weil dieser sich für das von der Räumung bedrohte Hausprojekt Rigaer Straße 94 einsetzte.

Das ist schon starker Tobak, aber nichts im Vergleich mit den Äußerungen von Generalsekretär Evers, der sich viel Zeit nimmt, um gegen die Grünen auszuteilen. Offensichtlich ist er neidisch auf deren Zwischenhoch. Die Zeit, in der die Grünen der CDU in Umweltfragen etwas vormachen konnten, sei lange vorbei, behauptet Evers. »Die Grünen sind keine Ökopartei mehr, sie sind eine sozialistische Partei mit Biosiegel«, ätzt er.

SPD und Linke kanzelt er dagegen nur so nebenbei ab. Die Linke sei von den Grünen nicht zu unterscheiden, und die SPD spiele keine Rolle mehr, zu deren Spitzenkandidatin Franziska Giffey habe die Freie Universität Berlin schon alles gesagt. Die Universität hatte Giffey den Doktortitel entzogen, weil sie ihn durch Täuschung über die Eigenständigkeit ihrer wissenschaftlichen Leistung erworben habe.

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