Sport als Bildungsarbeit

Müncheberger Bündnis sucht beim Fußball nach Toleranz und Integration

  • Claudia Krieg, Müncheberg
  • Lesedauer: 4 Min.
Schiedsrichter Burkhard Bock engagiert sich gegen Diskriminierung im Fußball
Schiedsrichter Burkhard Bock engagiert sich gegen Diskriminierung im Fußball

Burkhard Bock ist ein ernster Typ. Seine Geschichte ist auch keine, die nur vom Spaß am Sport erzählt. »Hätte ich das alles bloß früher gemacht«, habe er gedacht, nachdem er sich vor neun Jahren gegenüber Freunden als schwul geoutet hatte, erzählt er am Samstag beim Sommerfest der Initiative »Müncheberg ist bunt«. Hier sitzen 50, 60 Menschen mit Abstand auf Picknickdecken in der sommerlichen Wärme am Stadtsee der märkisch-oderländischen Kleinstadt. Es gibt kühle Getränke, eine Hüpfburg und ein kleines Fußballfeld. Die Atmosphäre ist herzlich, man freut sich, nach den langen Lockdown-Monaten der Pandemie endlich wieder einmal zusammenkommen zu können, erzählt Mitorganisatorin Friederike Fuchs.

Sie hat auch Burkhard Bock für eine kleine Diskussionsrunde eingeladen, die den Titel trägt: »Verbindet Sport? Sport verbindet!« Bock ist Jahrgang 1959, 35 Jahre lang hatte er bis zum Zeitpunkt seines Outings verheimlicht, dass er sich, seit er denken kann, in Männer verlieben möchte - aber sich nicht traut, es zuzugeben und seine Homosexualität zu leben. Auch weil der Fußball, den er seit seiner Kindheit ebenfalls sehr liebt, für schwule Männer offensichtlich keinen Platz hat, erklärt der passionierte Schiedsrichter. Sein Leben sei jahrelang geprägt gewesen von der »Angst vor Diskriminierung«, erinnert sich Bock, und das hat ihn auch gezeichnet. Seit einiger Zeit gehört der 62-Jährige aus dem uckermärkischen Lychen nun zum Beratungsnetzwerk »Verein für Vielfalt«. Die bundesweite Initiative von zahlreichen homosexuellen Profi- und Amateursportler*innen hat ihm selbst geholfen, sich aus seiner Lage zu befreien. Jetzt unterstützt er andere Menschen dabei, den Mut und die Kraft zu finden, sich als Teil einer vielfältigen Gesellschaft und nicht als Außenseiter zu begreifen: »Wir müssen noch viel mehr tun, damit das möglich ist«, erklärt Bock. Er ist zugleich der Meinung, dass Diskriminierung im Sport in ländlichen Regionen nicht so stark ausgeprägt sei wie in der Großstadt, weil der Sport hier eine mehr verbindende Rolle habe.

Auch Heike Krüger, die beim Kreis-Kinder- und Jugendring (KKJR) Märkisch-Oderland das Netzwerk für Toleranz und Integration koordiniert, interessiert sich dafür, ob die 200 Sportvereine in der Region eher eine offene oder doch geschlossene Angelegenheit sind. »Der Sportplatz ist neben der Kirche der wichtigste Ort, an dem sich Menschen bei uns treffen, aber trotzdem gibt es Vereine, die Flüchtlingskinder, die sehr gern auch Sport treiben möchten, nicht aufnehmen«, erläutert Krüger. Ob die Mitdiskutantin und CDU-Kreisvorsitzende Kristy Augustin dafür eine Erklärung habe? Augustin sitzt im Landtag dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport vor, und sie sieht in der Region »sehr vielfältige Sportvereine«. Sport sei Bildungsarbeit für Offenheit, Toleranz und Integration, befindet die CDU-Politikerin.

Die Frage Heike Müllers beantwortet dann eher Burkhard Bock: »Vereine brauchen mehr Unterstützung durch die Politik, und sie brauchen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für ihre Übungsleiter, damit durch das Leben in den Vereinen auch tatsächlich das Verständnis für Vielfalt wachsen kann«, erklärt der Toleranz-Botschafter.

Auch das Sommerfest von »Müncheberg ist bunt« will dem Bedürfnis nach Vielfalt aktiv entgegenkommen. Gemeinsam wird das 18-Uhr-Spiel der Fußball-Europameisterschaft geschaut und für das Spiel um 20 Uhr will man dann weiterziehen zur Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge an der Seelower Straße. Klar ist für die Initiator*innen: Sport kann Verbindung schaffen, aber automatisch geschieht das nicht. So wie hier läuft vieles nicht ohne ehrenamtliches und selbstorganisiertes Engagement.

Auch die in der offenen Kinder- und Jugendarbeit Engagierten aus dem Landkreis können ein Lied von den Schwierigkeiten struktureller Unterstützung singen. Nicht nur die rechte AfD als stärkste Fraktion mauert hier bei vielen sozial- und gesellschaftspolitischen Vorhaben. Unter anderem deshalb haben Engagierte, Kinder und Eltern für das Fest einfach Kuchen gebacken und Kaffee gekocht, der gegen Spende gekauft werden kann - »damit wir nicht um jeden Cent betteln müssen«, verrät jemand.

Den Kindern macht die Hitze an diesem Samstag nichts aus. Stolz stehen sie hinter ihrem Stand, an dem es auch von ihnen selbstgeschleuderten Honig gibt. Die Gläser haben sie ebenfalls selbst beschriftet im »Sommergarten Kinder- und Jugendtreff«, in dem sie seit dem 19. Mai übergangsweise imkern, bauen, werkeln, sich bewegen und unter sich sein können - betreut von den Sozialarbeiter*innen Meral Kurt und Sven Zepke.

Kreativ- und Umweltbildung stehen im Mittelpunkt des Angebots, für das sich die Aktiven des KKJR von der Stadt Räume erstritten haben, die sie nun gemeinsam mit der Stiftung Sozialpädagogisches Institut Walter May bis zum Herbst den Müncheberger Kids zur Verfügung stellen. Denn ob es wieder einen Jugendclub geben wird, nachdem der alte vor einigen Monaten erneut einem Brand zum Opfer fiel, ist offen.

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