Zwang zur Arbeit bis ins hohe Alter

Lisa Ecke über die steigende Anzahl der Erwerbstätigen über 67 Jahre

Im Jahr 2020 waren über eine Millionen Beschäftigte 67 Jahre oder älter, 2010 waren es noch 700 000. So die traurige Entwicklung, die aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung hervorgeht. Aber dass immer mehr Menschen arbeiten, obwohl sie eigentlich im Rentenalter sind, sei »anders als oftmals angenommen kein Indiz für Altersarmut«.

So jedenfalls lautete noch im vergangenen Oktober die Erklärung der Bundesregierung auf eine andere kleine Anfrage. Stattdessen seien hauptsächlich immaterielle Aspekte wie »Spaß an der Arbeit« und der »Kontakt zu anderen Menschen« für die Erwerbsarbeit im Alter ausschlaggebend.

Ziemlich zynisch, angesichts der durchschnittlichen überwiesenen gesetzlichen Rente von 982 Euro im Monat. Rechnet man dann noch die stetig steigenden Mieten ab, bleibt kaum etwas zum Leben übrig. Und so kommt es, dass 2019 laut Statistischem Bundesamt fast 19 Prozent der Menschen über 65 Jahre von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen waren.

Besonders stark wächst die Anzahl der Frauen, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiterhin erwerbstätig sind. Auch das deutet daraufhin, dass die Arbeit im Rentenalter vielleicht doch nicht so freiwillig ist. Denn Frauen erhalten im Schnitt noch einmal 36 Prozent weniger Rente als Männer und haben daher mehr Druck, weiter zu arbeiten. Es mag sein, dass einige im höheren Alter arbeiten wollen.

Aber es ist ein grundlegender Unterschied, ob das ohne finanziellen Druck passiert oder ob der Zwang besteht, der Erwerbsarbeit auch an schlechten Tagen nachzugehen. Bei den über 75-Jährigen arbeiten noch 220 000 Menschen regelmäßig, häufig etwa als Reinigungskraft. Zu behaupten, diese körperliche Anstrengung im hohen Alter sei freiwillig, ist Ausdruck der Verachtung gegenüber den Betroffenen.

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