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Immer noch besessen

Drei Olympiamedaillen sind Hockeyspieler Tobias Hauke nicht genug

  • Michael Wilkening, Tokio
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor knapp fünf Jahren lag Tobias Hauke auf dem Boden des Hockeystadions in Deodoro und weinte. Gemeinsam mit Moritz Fürste vergoss er ein paar Tränen des Glücks, unmittelbar zuvor hatten die deutschen Herren in einem dramatischen Match gegen den Erzrivalen Niederlande die Bronzemedaille der Olympischen Spielen 2016 gewonnen. »Das war ein besonderer Moment, den ich genossen habe, weil ich mir bewusst war, dass es vielleicht der letzte olympische für mich sein kann«, erinnert sich Hauke zurück. Fürste, der wie Hauke 2008 und 2012 bereits olympisches Gold gewonnen hatte, beendete kurze Zeit später seine Laufbahn in der Nationalmannschaft, während Hauke in diesen Sommertagen von Tokio doch noch einmal in ein Olympisches Dorf eingezogen ist. Weil der 33-Jährige immer noch besessen von dem Gedanken ist, sich mit den besten Kontrahenten im Wettkampf zu messen, hat er nicht aufgehört - obwohl er auf den ersten Blick gar keine Zeit mehr dafür haben dürfte.

Hauke hat eine Familie, zwei kleine Kinder und eine Führungsposition in der Firma seiner Eltern. Im kommenden Jahr soll er gar in die Geschäftsführung aufsteigen. Im Grunde ist das schon ausreichend viel Belastung für einen jungen Menschen. Er nimmt es trotzdem auf sich, im Hockey als Leistungssportler auf dem höchsten Niveau zu trainieren. »Das geht nur mit eiserner Disziplin und einer perfekten Organisation«, sagt Hauke. »Und man braucht eine Familie, die einen bedingungslos unterstützt.« Die Haukes sind eine Hockeyfamilie. Besonders in dieser Sportart ist das nicht ungewöhnlich, oft geben die Eltern das Faible für ihren Sport an die Kinder weiter, meist sind Geschwister miteinander aktiv. Tobias Hauke hat drei Schwestern, wie die Mutter spielen auch sie Hockey. Franziska, zwei Jahre jünger als Tobias, geht in Tokio ihre zweiten Olympischen Spiele an.

Wer trägt die Fahne?

Bei der Eröffnungsfeier werden am Freitag erstmals eine Frau und ein Mann gemeinsam die deutsche Fahne ins Stadion tragen. Der Deutsche Olympische Sportbund hat fünf Frauen und fünf Männer vorgeschlagen und je zur Hälfte seinen Athleten sowie den Fans zur Wahl gestellt. Nach der Olympiaabsage von Angelique Kerber sind noch vier Frauen im Rennen: Turnerin Elisabeth Seitz, Reiterin Isabell Werth, Beachvolleyballerin Laura Ludwig oder Ruderin Annekatrin Thiele führen dann die deutsche Delegation gemeinsam mit Hockeyspieler Tobias Hauke, Wasserspringer Patrick Hausding, Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov, Ruderer Richard Schmidt oder Turner Andreas Toba an. Das Ergebnis wird an diesem Donnerstagmorgen bekannt gegeben.nd

Das persönliche Umfeld hilft also beim Spagat, den Tag gefühlt über 24 Stunden hinaus auszudehnen. Der größte Antrieb und die dafür notwendige Energie zieht Hauke aber aus sich selbst. Genauer gesagt aus seiner Besessenheit und der Lust auf den Wettkampf auf dem höchsten Niveau. »Das ist ein Privileg, das nicht viele haben«, sagt er. Duelle im Trikot der Nationalmannschaft, in wichtigen Matches, bei großen Turnieren geben ihm Befriedigung. Der Körper ist anschließend erschöpft, der Kopf durch das Adrenalin aufgeputscht. »Ich liebe das«, erzählt Hauke von seiner ganz persönlichen »Droge«.

Diese Gier auf das Match, auf die Herausforderung, hat Hauke früh zu einem außergewöhnlichen Hockeyspieler gemacht. 2008, mit gerade mal 20, nahm er schon eine tragende Rolle im Mittelfeld des Nationalteams ein. Er war zwar das »Küken« bei den Spielen von Peking, aber doch entscheidend daran beteiligt, dass Deutschland Gold gewann. Vier Jahre später in London war Hauke auch beim zweiten Olympiasieg in Serie eine Korsettstange. 2013 wurde er gar zum Welthockey-Spieler gewählt - Hauke ist einer der besten.

Das ist ein Grund, warum er nun einer von fünf männlichen Kandidaten ist, bei der Eröffnungsfeier am Freitag als einer der deutschen Fahnenträger ins Olympiastadion einzulaufen. »Das ist wohl die größte Ehre, die man als Sportler haben kann«, sagt Hauke. Seine offenkundige Liebe für die Olympische Idee, prädestiniert ihn zudem für die Aufgabe. »Das gilt für die anderen vier aber auch«, erklärt Hauke.

Seit zwei Jahren hat er sich auf seine vierten Spiele vorbereitet, seit dem Einzug ins Dorf ist er von der Besonderheit der Olympischen Spiele wieder ergriffen - trotz der Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie. »Das kennen wir alle seit anderthalb Jahren«, sagt Hauke. Er ist begeistert von der Veranstaltung, die »wilden Geschichten«, die er vorher erzählt bekam, änderten daran nichts und haben sich zudem nicht bewahrheitet: »Man kann sich frei bewegen, nur eben mit Maske und Abstand.«

Auf dem Spielfeld gibt es weder Masken noch Abstand. Hauke wird dort die Mannschaft als Kapitän anführen. Im Gegensatz zu seinen ersten drei Spielen sind die Deutschen nach durchwachsenen Vorjahren kein automatischer Kandidat für die Goldmedaille mehr, der Ehrgeiz des Mittelfeldspielers ist aber nicht kleiner geworden. »Jedes Team war besonders, dieses ist es auch«, versichert er vor der Auftaktpartie am Samstag gegen Kanada. Tobias Hauke hat Lust, sich den besten Kanadiern entgegenzustellen - und allen, die danach folgen werden.

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