Das Reisen und das liebe Geld

Windel-Index hilft beim Vergleich von Wechselkursen und Preisen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor mehr als drei Jahrzehnten hat das englische Wirtschaftsmagazin »The Economist« den sogenannten Big-Mac-Index entwickelt. Die Wirtschaftsjournalisten wollten auf einfache Weise messen, ob eine Währung über- oder unterbewertet ist. Dahinter steckt eine Vorstellung aus dem ökonomischen Lehrbuch: In der perfekten Wirtschaftswelt würden sich Wechselkurse bei freiem Handel so einpendeln, dass vergleichbare Waren in allen Ländern gleich viel kosten. »Ökonomiestudenten lieben den Big-Mac-Index, weil er das Zusammenspiel von Wechselkurs und Preisniveau so anschaulich macht«, meint Christian Rusche vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).

Wofür »Big Mac« herhalten muss

»Big Mac« - auch als Hamburger bekannt - ist ein Brötchen, das vor allem mit zwei dünnen Bouletten belegt ist. Es ist nahezu in jeder größeren Stadt der Welt zu kaufen. Die amerikanische Hamburger-Kette McDonald's Corporation ist weltweit präsent und schreibt seinen Franchisenehmern die einzelnen Bestandteile des Burgers genau vor. Ein »Big Mac« in Hamburg sollte also in seinen Bestandteilen identisch sein mit einem in Shanghai. Daher gilt der Hamburger als ein global vergleichbares Produkt.

Trotzdem kostet der Hamburger keineswegs überall gleich viel. Die Preisunterschiede sind weltweit ausgesprochen groß. Umgerechnet in Dollar war der McDonald's-Burger im Januar 2021 in der Schweiz mit 7,29 Euro am teuersten und im Libanon mit 1,77 Euro am billigsten, ermittelt das IW. Tatsächlich gilt die Aussagekraft des Index als eingeschränkt. So ist der »Big Mac« kein handelbares Produkt, und sein Preis ist von vielen nationalen und regionalen Faktoren abhängig.

Wenigstens bei handelbaren Gütern, die online gekauft und über weite Strecken transportiert werden können, sollten sich die Preise eigentlich annähern - vor allem in den Wirtschaftsräumen, in denen Handelsbarrieren größtenteils gefallen sind wie im Europäischen Binnenmarkt. Dass dem aber nicht so ist, zeigt ein internationaler Preisvergleich von Windeln für Babys.

Wo gibt es sehr viel für den Euro?

Die Preisspanne ist enorm: Drei große »Pampers«-Boxen kosten laut IW auf der spanischen Amazon-Website rund 168 Euro, während für dieselbe Bestellung auf der britischen Internetseite nur 74 Euro verlangt werden. In Belgien kostet eine Windel durchschnittlich fast 40 Cent - und damit mehr als doppelt so viel wie in Irland.

Geht man davon aus, dass ein Kleinkind nach drei Lebensjahren trocken ist, summieren sich die durchschnittlichen Ausgaben für die Eltern in Deutschland auf etwa 1500 Euro - in Italien sind rund 400 Euro mehr fällig.

Auch dieser Preisvergleich ist nicht perfekt. Unterschiedliche Wohlstandsniveaus in den einzelnen Ländern wirken auf das allgemeine Preisniveau. Deshalb sind die Schweiz oder Norwegen besonders teuer - auch für Reisende und das vor allem für Preise von Lebensmitteln, die nicht für den Export bestimmt sind. Für einen Restaurantbesuch ist die heimische Kaufkraft ausschlaggebend. Steuern und Zölle beeinflussen ebenfalls den Preis für Kunden. Auch der Wettbewerb spielt eine Rolle. Welche Preise McDonald's für einen »Big Mac« verlangen kann, hängt logischerweise auch von Angebot und Nachfrage ab.

Auch der Big-Mac-Index ist tauglich

All diese Einschränkungen bedeuten jedoch nicht, dass es überhaupt nichts mit dem Wechselkurs zu tun hat, wenn sich ausgerechnet Länder wie der Libanon, die Ukraine oder die Türkei auf den billigen Plätzen des Big-Mac-Index tummeln. Alle drei Staaten stecken unabhängig vom Corona-Lockdown in einer ausdauernden Wirtschaftskrise. Ihre Währungen sind international kaum gefragt und haben folglich gegenüber Dollar und Euro abgewertet.

Unterm Strich taugt der Big-Mac-Index aber doch ganz gut dazu, die Kaufkraft zu vergleichen - was besonders Touristen interessieren dürfte. Zumindest aus deren Warte ist es eher unbefriedigend, dass der »Economist« nur einen Durchschnittspreis für die Eurozone berechnet.

Wo kann man preiswert urlauben?

Also greifen Sie lieber doch auf den Windel-Index zurück, bevor Sie ein Reiseziel im Ausland ansteuern (https:// www.myvouchercodes.co.uk /how-much-do-nappies-cost-around-the-world).

Danach ist etwa Großbritannien ein lukratives Reiseziel. Ein Grund dafür ist der starke Euro. Umgekehrt sind Urlaube innerhalb der Eurozone vergleichsweise kostspielig.

Wenn Sie sich nicht allein auf den Index des Hamburgers oder der Windeln verlassen wollen, schauen Sie ins Internet des Statistischen Bundesamtes (Stichworte: Kaufkraftparität, internationaler Preisvergleich). Danach ist Urlaub in Portugal, Griechenland oder Litauen ein Drittel preisgünstiger als in Deutschland. Allerdings sind lediglich Hotelübernachtungen und Restaurantbesuche berücksichtigt.

Rückgriff auf die »Klassiker«

Bei einem Vergleich des allgemeinen Preisniveaus schneiden klassische Urlaubsziele der ehemaligen DDR-Bürger wie Ungarn, Bulgarien oder teilweise Rumänien noch deutlich günstiger ab. Denn dort kriegen Sie für 1 Euro fast 2 Euro an Leistung geboten. Wie vor über drei Jahrzehnten, als Sie noch mit D-Mark zahlen konnten.

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