Geschenk mit Pferdefuß

Ulrike Henning über die Botschaften der Impfboni

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.

Saatgut, Benzin, Tomaten und Reis in Indien. Hummus und Pizza in Israel. Eier und Mehl in China. Bezahlte Urlaubstage in Tschechien, Telefonguthaben in Griechenland. Autos und Wohnungen als Tombolagewinne in Russland, in der Lotterie Tunesiens Ziegen und Hühner. Große Vielfalt im Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Jagdgewehre und Pick-Ups im Lostopf im Bundesland West-Virginia, Vollstipendien für ein College oder eine Universität in New York, Gewinne in Millionenhöhe und, ja, auch Joints.

Alles hier Genannte können Menschen in diesen Ländern bekommen oder gewinnen, wenn sie sich impfen lassen. So toll! Warum nicht auch in Deutschland? Nach Milliardenhilfen für Pandemie-gestörte Großunternehmen und anderen, breit gestreuten Zahlungen in Richtung kleiner und mittlerer Firmen stieß der Vorschlag der Ökonomin Nora Szech aus Karlsruhe in der Politik nicht gerade auf ein enthusiastisches Echo. 500 Euro für jede geimpfte Person? Eher doch nicht, da wird lieber die Impfpflicht noch dutzendmal hin- und hergewendet.

Jedoch offenbaren die Impfboni jeglicher Art auch eine Menge über die austeilenden Staaten. Sie glauben nicht, dass Menschen mit sachlichen Argumenten vom Nutzen einer Impfung zu überzeugen sind. Oder sie nehmen an, dass ein Geschenk eher wirkt als eine Argumentation. Und sie wissen genau, wo es Mängel im Zugang zu bestimmten Produkten und Dienstleistungen gibt. Hier etwas zu verschenken oder zu verlosen ist auch ein Eingeständnis von Politikversagen weit über Gesundheit im engen medizinischen Sinn hinaus. Zudem setzen die Boni auf ungute menschliche Eigenschaften, auf nackte Gier statt verantwortlicher Entscheidung.

Dennoch ist die Impfung an sich nicht schon das Geschenk - wenn, dann nur in einem sehr abstrakten Sinn. Denn bezahlt wurde sie mit Steuergeldern und Krankenkassenbeiträgen ohnehin schon, und zwar auch von den Impfverweigerern.

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