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Sophie von der Tann: Geehrt und angefeindet
Die ARD-Nahostkorrespondentin erhält den renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für kritischen Fernsehjournalismus
Seit zwei Jahren ist ihr Gesicht jede Woche mehrmals in »Tagesschau« und »Tagesthemen« zu sehen: Sophie von der Tann war als einzige ARD-Korrespondentin vor Ort, als am 7. Oktober 2023 palästinensische Terroristen mehrere Orte in Israel angriffen, mehr als 1000 Menschen ermordeten und rund 250 verschleppten. Aus Israel, Gaza und der Westbank berichtet die 34-Jährige bereits seit vier Jahren.
In den zwei Jahren israelischer Bombardements und Sprengungen in Gaza berichtet und kommentiert von der Tann die Lage ununterbrochen, ordnet Äußerungen von Politikern ein, in der Regel sehr sachlich-zurückhaltend. Sie schilderte die Lage Angehöriger israelischer Geiseln ebenso wie das Leid der palästinensischen Bevölkerung. Auch über eine von der US-Organisation Gaza Humanitarian Foundation betriebene Ausgabestelle für Lebensmittel berichtete sie. Dort schossen Söldner und israelische Soldaten regelmäßig in die Menge, zeitweilig starben jeden Tag Dutzende Palästinenser.
Nun wird von der Tann zusammen mit Katharina Willinger, Leiterin der ARD-Studios in Istanbul und Teheran, mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis 2025 ausgezeichnet. Das teilte der WDR am Donnerstag mit. Die Preisverleihung findet am 4. Dezember statt.
Das ist insofern ein ermutigendes Zeichen, als die Journalistin immer wieder wegen einzelner Formulierungen, die dem israelischen Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, oder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft missfielen, heftig kritisiert wurde. Die Jury war sich dessen bewusst. Und fokussierte sich dennoch auf die unbestreitbar hohe Qualifikation von der Tanns, die unter anderem Arabisch und Hebräisch spricht und mehrere Studienabschlüsse renommierter Universitäten hat, darunter einen Master in Internationaler Geschichte.
Die Jury ging auf die Verbalattacken explizit ein. Zwar müsse sich eine deutsche Journalistin immer der Besonderheit ihrer Herkunft bewusst sein und über Israel sensibel berichten. Es gelte aber auch, »Haltung zu bewahren, wenn dieses Gebot zu einem Instrument gemacht wird, das professionelle, faktenbasierte Berichterstattung ausschalten soll«. Damit ist ziemlich genau der Druck beschrieben, dem Berichterstatterinnen wie von der Tann ausgesetzt sind. Der kann sich zu regelrechten Kampagnen etwa von Springer-Medien wie »Welt« und »Bild« auswachsen.
Ausdrücklich gehen die Juror*innen auf die Rolle von Botschafter Prosor ein. Er hatte unter anderem gefordert, von der Tann solle »ins Lager der Aktivisten« wechseln. Man könne über einzelne Formulierungen diskutieren, so die Jury. Das ändere nichts daran, dass von der Tann eine »herausragende Journalistin« sei, die »in einer Extremsituation zuverlässig erstklassige Arbeit liefert, die – gestützt auf ihre Kenntnis der Sprachen und Kulturen des Landes – den Menschen und ihren Schicksalen nahe ist, ohne dazuzugehören, cool – aber nicht kalt«.
Zur Preisverleihung äußerte sich der Botschafter ebenfalls umgehend. »Die Dämonisierung Israels ist heute der schnellste und bequemste Weg zu einem Medienpreis«, kommentierte Prosor gegenüber der »Welt«. In dem zugehörigen Artikel über »die Auffälligkeiten in der Berichterstattung der Sophie von der Tann« findet sich allerdings kein einziger konkreter Vorwurf. Es wird lediglich behauptet, israelische Aussagen würden von der ARD allgemein kritischer bewertet als palästinensische, und Tann sei »befangen gegenüber Israel«.
Von der Tann selbst äußerte sich bislang nicht zum Preis. In ihrem Instagram-Account, in dem sie sich ironisch »Sopferl« nennt, ist ein Fernsehkommentar vom Mai, der besonders heftig attackiert wurde, ganz oben zu finden – so dass sich jeder selbst ein Bild machen kann.
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