Rechtsanspruch auf Platz im Frauenhaus

fragen & antworten zur gewalt gegen frauen

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Heike Herold, Geschäftsführerin der Frauenhauskoordinierung, begrüßt das Vorhaben, die Finanzierung der Einrichtungen bundesweit abzusichern. Allerdings gibt es zunächst nur eine Absichtserklärung. Der Runde Tisch »Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen« soll nach der Bundestagswahl erneut zusammentreten. Nachfolgend ein Gespräch mit Heike Herold.

Die Arbeit der Frauenhäuser soll künftig per Bundesgesetz finanziell abgesichert werden. Der große Wurf ist nicht gelungen. Hatten Sie mehr erwartet?

Ja, aber es ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht worden. Denn wir müssen endlich zu einer sicheren Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen kommen, und das bundesweit. Unsere Forderung, dass alle drei staatlichen Ebenen Beteiligten an einem Tisch sitzen müssen, ist erfüllt worden.

Aber der erhoffte Rechtsanspruch kommt erst einmal nicht. Auch die Finanzierungsfragen sind noch ungelöst. Nur Absichtserklärungen?

Die Ergebnisse sind noch nicht so weitreichend, wie wir uns das gewünscht hätten. Aber immerhin ist der Dialog über zwei Jahre geführt worden. Klar ist aber auch, dass der Rechtsanspruch unbedingt auch in der kommenden Legislaturperiode auf der Tagesordnung bleiben muss. Man muss auch klar sagen, dass in Sachen Finanzierung nichts gesichert ist. Es muss eine gesetzliche Regelung für Bund, Länder und Kommunen geben, wie immer die auch aussieht. In Sachen Gewaltschutz für Frauen hoffen wir, dass der Runde Tisch auch unter einer neuen Bundesregierung seine Arbeit fortsetzt, damit weiter an diesem Gesetz gearbeitet wird.

Warum ist der Bund hier gefordert, denn die Finanzierung von Frauenhäusern ist doch allein Sache der Länder und Kommunen?

Es gibt eine Besonderheit bei den Frauenhäusern. Sie müssen bundesweit zugänglich sein. So muss etwa eine Frau aus Bayern auch nach Schleswig-Holstein flüchten können. Die Regelungen dazu, vor allem was Abrechnungsfragen angeht, sind äußerst kompliziert. Da gibt es häufig Streit, wer die Kosten tragen muss. Dieser Streit wird auf dem Rücken der betroffenen Frauen ausgetragen, denen womöglich die Aufnahme verweigert wird. Wir haben 360 Frauenhäuser in Deutschland und 360 Finanzierungsmodelle. Das müsste sich ändern, was der Bund offenbar auch angehen will.

Wie könnte die Finanzierung künftig aussehen?

Da gibt es bereits Überlegungen. Meines Wissens denkt das Bundesfamilienministerium über eine gesetzliche Regelung in den Sozialgesetzbüchern nach. Denn da hat der Bund die Regelungsbefugnis, wie zum Beispiel beim SGB VIII für die Kinder- und Jugendhilfe. Finanzieren müssen die Einrichtungen aber nach der föderalen Zuständigkeit Länder und Kommunen. Aber weil das ein zustimmungspflichtiges Gesetz ist, werden Länder und Kommunen vom Bund Transferzusagen erwirken.

Warum ist der Rechtsanspruch auf einen Platz im Frauenhaus so wichtig?

Wenn es ein Recht auf Aufnahme in einem Frauenhaus gibt, müssten die Kapazitäten deutlich erhöht werden. Zusätzlich bräuchte es eine tragfähige Sozialplanung und Bedarfsermittlung. Das Thema Gewalt gegen Frauen wurde lange Zeit als ein marginales abgetan nach dem Motto: Das sind nicht mehr als bedauerliche Einzelfälle. Aus einzelnen Landkreisen ist immer mal wieder zu hören: »Bei uns gibt es keine häusliche Gewalt.« Da fehlen mir die Worte. Wir sind mit Frauenhäusern und Fachberatungsstellen bei Gewalt gegen Frauen nach über 40 Jahren Arbeit immer noch nicht in der Regelfinanzierung angekommen, wie das in anderen Feldern der Sozialarbeit längst selbstverständlich ist. Die Mühlen mahlen hier leider sehr, sehr langsam.

Kommt der Aufbau weiterer Plätze zumindest langsam voran?

Ja, es gibt diesen Trend. Aber der Aufbau ist nicht in allen Bundesländern zu sehen. Die Situation ist regional sehr unterschiedlich. Es gibt punktuell Verbesserungen in einigen Bundesländern. Hamburg hat zum Beispiel ein neues Frauenhaus eingerichtet. Aber unter dem Strich gesehen gibt es keinen großen flächendeckenden Ausbau der Frauenhäuser. 2012 gab es eine Bestandsaufnahme. Damals waren es bundesweit 6800 Plätze für Frauen und Kinder. Gebraucht werden aber insgesamt 21 000. epd/nd

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