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Zahlungsverkehr: Basiskonto für alle
Vielen Verbrauchern wird der Zugang zu einem abgespeckten Girokonto verwehrt
Ohne Moos ist bekanntlich nichts los. Das »Moos«, also das Geld, muss aber auch auf ein Girokonto fließen, damit der Alltag reibungslos ablaufen kann. Doch wer Schulden hat, kann von einer Lohn- oder Kontopfändung betroffen sein. Trotzdem soll der Mensch seinen Lebensunterhalt bestreiten und wichtige Zahlungen wie Miete oder Strom leisten können. Dies dient letztlich auch dem Schutz vor weiteren Schulden. Deshalb gibt es gesetzlich geregelte Freigrenzen bei einer Lohnpfändung und entsprechende Freibeträge auf dem sogenannten Pfändungsschutzkonto (P-Konto). Banken, Vermieter oder das Finanzamt können dann nicht auf die gesamten Einkünfte zugreifen, die auf dieses Girokonto fließen. Voraussetzung ist allerdings, überhaupt ein Konto bei einer Bank oder Sparkasse zu besitzen. Ein Zahlungskonto ist heute schließlich unerlässlich für die Teilnahme am modernen gesellschaftlichen Leben.
Die gute Nachricht: Seit dem 1. Juli können Schuldner mit regelmäßigem Einkommen ein Plus in ihrer Haushaltskasse verbuchen: Die Pfändungsfreigrenzen sind um rund 4 Prozent erhöht worden. Künftig ist Einkommen erst ab 1560 Euro netto im Monat pfändbar. Der Freibetrag steigt zusätzlich für jede unterhaltsberechtigte Person. »Wer beispielsweise eine Unterhaltspflicht erfüllt, muss erst ab einem Einkommen von 2150 Euro mit Pfändungen rechnen«, erklärt Cornelia Hansel, Schuldnerberaterin bei der Verbraucherzentrale Sachsen.
Auch für das P-Konto gelten die neuen Freigrenzen. Kreditinstitute müssen sowohl den erhöhten Grundfreibetrag für Kontoinhaber als auch die Freibeträge für unterhaltsberechtigte Personen (Kinder!) automatisch umsetzen. Eine Ausnahme gilt, wenn individuell eine andere Pfändungsfreigrenze vereinbart worden war, etwa durch ein Gericht. Solche Regelungen werden nicht automatisch angepasst, sondern müssen aktiv beim zuständigen Vollstreckungsgericht oder Gläubiger beantragt werden.
Ein »normales« Girokonto kann in ein P-Konto umgewandelt werden. Häufig ist aber die Eröffnung eines sogenannten Basiskontos nötig. Eine aktuelle Befragung des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes (VZBV) unter Schuldnerberatern in ganz Deutschland weist allerdings darauf hin, dass Banken und Sparkassen immer wieder ein Basiskonto verwehren, und zwar gerade besonders schutzbedürftigen Verbrauchern. Sie lassen ihre potenziellen Kunden beispielsweise darüber im Unklaren, dass sie ein Recht auf ein Basiskonto haben. So weisen Geldinstitute Verbraucher mitunter ab, wenn diese nicht ausdrücklich nach einem Basiskonto fragen. Die Befragung zeigt: Selbst in Fällen, in denen ausdrücklich ein Basiskonto gewünscht wird, wird die Eröffnung mitunter verweigert. Als Gründe nennen Banker unter anderem einen fehlenden festen Wohnsitz oder formale Hindernisse im Antragsprozess.
Seit 2016 gibt es in Deutschland und der Europäischen Union das Basiskonto, das allen Bürgern Zugang zu einem Zahlungskonto mit allen grundlegenden Funktionen ermöglichen soll. Zuvor war es Kreditinstituten möglich, die Eröffnung eines Kontos ohne Nennung von Gründen abzulehnen. Anspruch auf Abschluss eines Basiskontovertrags haben nach dem Zahlungskontengesetz grundsätzlich alle Menschen, die sich rechtmäßig in der EU aufhalten – und noch kein Zahlungskonto in Deutschland haben. Dazu zählen auch Personen ohne festen Wohnsitz, Asylsuchende, Geflüchtete und Personen ohne Aufenthaltstitel, die nicht abgeschoben werden dürfen.
Die Politik könnte mit einer Gesetzesinitiative gegensteuern und Banken sowie Sparkassen verpflichten, Verbraucherinnen und Verbrauchern ein aktives Angebot für ein Basiskonto zu unterbreiten, wenn zuvor der Abschluss eines gewöhnlichen Kontovertrages abgelehnt oder ein bestehender Kontovertrag gekündigt wurde.
Verbraucherschützer weisen auf ein weiteres, kostspieliges Problem hin: Basiskonten sind keineswegs umsonst, ja, nicht einmal besonders günstig. Im EU-Vergleich werden in Deutschland in der Spitze die teuersten Basiskonten angeboten. Der VZBV fordert daher eine Kostenobergrenze für Basiskonto-Entgelte. »Die neue Bundesregierung muss dafür sorgen, dass das Basiskonto erschwinglich wird«, sagt die Finanzmarktexpertin des VZBV Dorothea Mohn. Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD, einen Kostendeckel für Basiskonten zu prüfen, solle zügig aufgegriffen werden.
Verbraucherinnen und Verbraucher können sich Hilfe suchend an eine Verbraucherzentrale oder eine Beratungsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung wenden. Eine seriöse Schuldnerberatung in Ihrer Nähe finden Sie auf der Internetseite der Bundesarbeitsgemeinschaft meine-schulden.de.
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