• Politik
  • Zapatistas demonstrieren in Madrid

»Ihr habt uns nicht erobert!«

In Madrid prangern Zapatistas und soziale Bewegungen alten und neuen Kolonialismus an

  • Luz Kerkeling
  • Lesedauer: 4 Min.

Über 40 Grad heiß, aber dennoch sehr bewegt und bewegend ging es zu am Samstag in der spanischen Hauptstadt bei einer Demonstration der indigen geprägten, linksgerichteten Bewegung der Zapatistas (EZLN) aus Mexiko. Die begeistert empfangene siebenköpfige Delegation aus dem südmexikanischen Bundesstaat Chiapas sowie hunderte Kollektive aus Dutzenden Ländern brachten auf der Straße eindrucksvoll ihre Empörung zum Ausdruck über den Überfall europäischer Kriegsherren auf Lateinamerika und die bis heute andauernde Unterdrückung und Ausbeutung von Mensch und Umwelt.

Über 1 500 Aktivist*innen zogen in festlich-lautstarker Atmosphäre vom Platz »Puerta del Sol« zum »Plaza Colón«, benannt nach dem vermeintlichen Entdecker Lateinamerikas, Christoph Kolumbus. Kreative Transparente und Sprechchöre betonten, dass eine andere Welt sofort möglich sei und dass es konstruktive und solidarische Alternativen zu Patriarchat, Kapitalismus, Rassismus und Naturzerstörung gebe, die auch bereits in Teilen der Welt realisiert würden.

An der Spitze der bunten Demonstration wurde ein Schiffsnachbau gezogen, der den Kriegsschiffen von Kolumbus gleicht, aber nun mit Fahnen der EZLN bestückt wurde. Die zapatistische Delegation, die »Geschwader 421« genannt wird, weil sie aus vier Frauen, zwei Männern und einer Person anderen Geschlechts – wie die Zapatistas es selbst bezeichnen – oben auf dem Schiff Präsenz zeigte, kehrte so symbolisch die »Conquista« (deutsch: Eroberung) auf rebellische, friedliche Weise um.

Danach folgte ein Block mit dem Front-Transparent der Demonstration mit der Parole »Ihr habt uns nicht erobert!« Vor allem Frauen und Aktivist*innen mit Migrationshintergrund äußerten sich gegen die historischen und aktuellen Verwerfungen. Viele immer wieder gerufene Parolen bezogen sich darauf, dass europäische Regierungen und Konzerne Mitverantwortung dafür tragen, dass sozial und ökologisch engagierte Aktivist*innen ermordet werden und die Natur ganzer Regionen zerstört wird.

Höhepunkt der Aktionstage in Madrid war die Rede von mehreren Delegierten der EZLN, in der sie die Ziele ihrer »Reise für das Leben« noch einmal unterstrichen. Das zentrale Ziel sei, sich global mit den Bewegungen auszutauschen und zuzuhören, Hoffnung zu säen und gleichzeitig Widerstand und solidarisch-ökolgische Alternativen aufzubauen. Wieder einmal betonten die Zapatistas ihren basisdemokratischen Anspruch: »Wir bringen keine Rezepte, Visionen und Strategien mit, wir kommen, um Euch zuzuhören. Als Zapatistas geht es uns um eine Sache, ein Motiv, ein Ziel: das Leben«.

Die Botschaft an die emanzipatorischen Bewegungen, die die Zapatistas als sehr vielfältig bezeichneten, ist, nicht aufzugeben, sondern konsequenter zu werden gegenüber dem, was Alle am Leben hindere: der Kapitalismus: »Wir, die zapatistischen Gemeinschaften, sind gekommen, um zuzuhören und die Geschichte zu lernen, die in jedem Zimmer, in jedem Haus, in jedem Viertel, in jeder Gemeinde, in jeder Sprache, auf jede Art und Weise vorhanden ist. Denn nach so vielen Jahren haben wir gelernt, dass in jeder Dissidenz, in jeder Rebellion, in jedem Widerstand ein Schrei nach Leben steckt.«

In den Tagen zuvor hatten bereits mehrere Vernetzungstreffen von linken Aktivist*innen aus Europa stattgefunden, um sich besser kennenzulernen und sich gegenseitig bei Organisationsprozessen zu unterstützen. Während der Aktionstage war es ein unbestrittener Konsens der anwesenden Aktivist*innen aus diversen Ländern, darunter Griechenland, Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Mexiko, den parteiunabhängigen linken Widerstand zu stärken. Trotz aller Unterschiedlichkeiten wurde sich auf gemeinsame Werte und konkrete Aktivitäten fokussiert. Viele neue Kontakte zwischen engagierten Einzelpersonen, aber vor allem auch linken Kollektiven sind neu entstanden oder wurden wiederbelebt.

Dazu hat die zapatistische Bewegung viel beitragen, denn es ist den Zapatistas wieder einmal gelungen – seit dem legendären »Intergalaktischen Treffen gegen den Neoliberalismus und für die Menschheit« von 1996 –, unterschiedlichste linke emanzipatorische Gruppen zueinander zu bringen, die zum Teil ohne die hohen ethischen Werte der Zapatistas nie miteinander kommuniziert hätten.

Noch immer unklar ist, wann größere Gruppen der Zapatistas nach Europa reisen können. Sowohl mexikanische wie europäische Behörden verunmöglichen bis dato die Einreise weiterer Delegierter. Die Zapatistas haben angekündigt, dass sie in mehreren Wellen, in mehreren Gruppen und in bis zu 30 Länder Europas kommen werden, um Widerstandsprozesse von »unten und links« zu unterstützen.

Infos unter: www.ya-basta-netz.org

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal