Mieter wollen Reform nach der Reform

Der Deutsche Mieterbund fordert eine bundesweit einheitliche Erfassung der Mieten

Unlängst hat der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD eine Reform des Mietspiegelrechts beschlossen. Das Gesetz hat bereits den Bundesrat passiert und tritt zum 1. Juli 2022 in Kraft. Durch die Reform soll die Aussagekraft von Mietspiegeln verbessert werden. Beispielsweise sind nun alle Städte ab 50.000 Einwohnern dazu verpflichtet, einen Mietspiegel zu erstellen. Betroffene Städte haben laut der Reform bis Anfang 2023 Zeit, einen einfachen Mietspiegel einzuführen, entscheidet eine Stadt sich für einen qualifizierten Mietspiegel, läuft die Übergangsfrist bis Anfang 2024.

Eine andere Neuerung ist, dass sowohl Vermieter als auch Mieter zukünftig dazu verpflichtet sind, sofern sie für eine Stichprobe per Zufallsprinzip ausgewählt wurden, Angaben zu der Wohnung und zum Mietpreis zu machen. Wer falsche Auskünfte gibt, kann ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5000 Euro erhalten. Die Auskunftspflicht gilt jedoch nur dort, wo ein qualifizierter Mietspiegel erstellt wird. Um einen solchen handelt es sich, wenn dieser nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen für zwei Jahre erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt wird.

Mit nur einfachen Mietspiegeln ist eine rechtsichere Anwendung der Mietpreisbremse oft kaum möglich. Dabei ist die Mietpreisbremse für viele eine wichtige Möglichkeit, gegen zu hohe Mieten vorzugehen, die Bremse begrenzt den Anstieg bei Wiedervermietung auf zehn Prozent über den ortsüblichen Vergleichsmieten. Auch nach der Reform gibt es noch die Wahlmöglichkeit zwischen der Erstellung eines einfachen oder eines qualifizierten Mietspiegels.

Bei dem einfachen Mietspiegel ist kein spezielles Verfahren vorgeschrieben, in diesem muss lediglich dokumentiert werden, wie die Zahlen zustande gekommen sind. Aber selbst in Städten, in denen es einen qualifizierten Mietspiegel gibt, können Vermieter die Korrektheit des Mietspiegels bestreiten. Der Mieter steht dann in der Pflicht zu beweisen, dass dieser doch qualifiziert ist. Der Deutsche Mieterbund forderte nun am Montag die Einführung eines Mietenkatasters.

Lukas Siebenkotten, der Präsident des Deutschen Mieterbundes sagte gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die bisherigen Mietspiegel seien in ihrer Aussage begrenzt, da sie zwar das aktuelle Marktgeschehen, nicht aber die tatsächliche Situation der Haushalte abbildeten. Grund sei, dass bisher nur neu geschlossene Mietverträge oder in den letzten sechs Jahren erhöhte Mieten erfasst würden. Siebenkotten schlug vor, alle Mieten an einer zentralen Stelle, zum Beispiel beim Katasteramt (Vermessungsamt), zu erfassen. Er räumte ein, dass ein solches Mietenkataster mit bürokratischem Aufwand verbunden wäre. Wenn aber nicht nur Mieten, sondern auch Daten zum energetischen Zustand von Wohnungen und Häusern erhoben würden, könne man künftig »sehr viel besser planen«, so der Mieterbund-Präsident. Es gäbe dann keine Probleme mehr, Mietspiegel zu erstellen und die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln.

Die Gewerkschaft IG BAU unterstützt die Forderung. »Ein bundesweites Mietenkataster würde endlich die Wahrheit an den Tag bringen«, sagte der Bundesvorsitzende Robert Feiger. Für Vermieter, die ständig die Mietpreisspirale nach oben drehten, würden schwere Zeiten anbrechen. Auch Caren Lay, Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik der Linksfraktion begrüßte die Forderung des Deutschen Mieterbundes, die Mietspiegelreform der großen Koalition sei ein Witz, twitterte Lay.

Wie wichtig eine gerichtsfeste und einheitliche Erfassung von Mietspiegeln, etwa zur Durchsetzung der Mietpreisbremse ist, wurde unter anderem erst in einer Anfang August veröffentlichten Studie deutlich. Laut dieser von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderten Untersuchung der Humboldt-Universität zu Berlin bleibe für 1,1 Millionen Haushalte nach Abzug der Miete weniger als das Existenzminimum zum Leben übrig. Fast 13 Prozent der Mieterhaushalte in deutschen Großstädten sind demnach in einer prekären wirtschaftlichen Lage.

Vor allem in letzter Zeit kam es bundesweit immer häufiger zu Gerichtsverfahren, in denen Vermieter die Mietspiegel infrage gestellt und fehlende wissenschaftliche Grundlagen beklagt haben. Dass sich daran nach Inkrafttreten der Reform etwas grundlegend ändert, wird sowohl von Mieterbund sowie von Grünen und Linkspartei angezweifelt.

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