Überlastet und überfordert

Brandenburg wird von SPD, CDU und Grünen eher verwaltet als vorausschauend regiert

Das hat ausnahmsweise wenig bis nichts mit dem Agieren von Sozial- und Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) zu tun. Es ist aber eine Ironie der Geschichte. Als die Impflogistik von ihrem Ressort zu dem von Innenminister Michael Stübgen (CDU) wechselte, nahm die so lange schleppend gelaufene Brandenburger Impfkampagne endlich Fahrt auf. Seit die Verantwortung zurück ins Gesundheitsministerium ging, verlangsamt sich das Tempo wieder. Das liegt selbstverständlich daran, dass sich inzwischen bereits gegen das Coronavirus impfen ließ, wer das unbedingt wollte. Aber doch scheint es bezeichnend zu sein. Im Hause von Nonnemacher klappt so einiges nicht.

Das gilt auch für die Afrikanische Schweinepest. Hier ist die Frage, ob der Krisenstab schnell und entschlossen genug handelte, ob die Pest nicht schon länger im Land war und weiter verbreitet, so dass infizierte Wildschweine immer schon außerhalb der Zonen waren, um die Zäune gezogen worden sind. Wenn überhaupt, lässt sich die Tierseuche nun nur noch sehr schwer unter Kontrolle bringen.

Viele hätten der Ärztin und erfahrenen Politikerin Ursula Nonnemacher mehr zugetraut und wundern sich jetzt, dass ausgerechnet sie fast genau zwei Jahre nach der Landtagswahl 2019 unter den Ministern im rot-schwarz-grünen Kabinett die schlechteste Figur macht. Sie wirkt mit ihrer Aufgabe überfordert. Es fragt sich, warum sie bei den Koalitionsverhandlungen mit SPD und CDU unbedingt den Verbraucherschutz in ihrem Haus behalten wollte, um den sich genauso gut wie früher schon das Justizministerium hätte kümmern können.

Überlastet ist auch ihr Ressort. Das gibt es sogar schriftlich mit Datum 17. August von Staatssekretärin Anna Heyer-Stuffer (Grüne). Seit anderthalb Jahren kämpfe das Ministerium mit der Coronakrise, seit einem Jahr zusätzlich mit der Schweinepest, heißt es in ihrem Hilferuf an den in der Staatskanzlei tätigen Staatssekretär Benjamin Grimm (SPD). Grimm hatte, wie Heyer-Stuffers Schreiben zu entnehmen ist, bereits am 15. April 2021 festgestellt, dass die Abarbeitung der Anträge auf finanzielle Entschädigung bei Verdienstausfall wegen Quarantäne äußerst unbefriedigend läuft. Er hat es »zutreffend« festgestellt, so Heyer-Stuffer. Die Personalsituation lasse eine lang anhaltende Erledigung aller Aufgaben in gewohnter Qualität nicht zu, beklagte sie.

Nach einem Bericht des Landesamtes für Soziales und Versorgung wurden bis 30. Juni 53 557 Anträge auf Entschädigung wegen Quarantäne gestellt - nur 2717 wurden positiv beschieden, 2611 abgelehnt. Alle übrigen, rund 91 Prozent, waren noch nicht bearbeitet. Dabei hatte der Landtagsabgeordnete Ronny Kretschmer (Linke) bereits im Mai 2021 auf den Antragsstau hingewiesen und im Parlament gesagt: »Anderthalb Jahre nach Beginn dieser Pandemie kann sich die Landesregierung nicht damit herausreden, dass sie von der Pandemie und dem daraus resultierenden Anspruch auf Entschädigungszahlungen überrascht worden sei.« Spätestens im Sommer 2020 hätte gegengesteuert werden müssen, so Kretschmer.

Anders als früher in Brandenburg üblich werden die Konflikte innerhalb der Regierung ziemlich offen ausgetragen. Seit Kathrin Schneider (SPD) Staatskanzleichefin ist, werden Probleme nicht mehr so oft geräuschlos intern gelöst. »Wir sind zunächst mit großer Einigkeit in die Koalition gestartet, doch dann ist die Krisenbewältigung wegen der Corona-Pandemie und der Afrikanischen Schweinepest sehr schnell zu einer Riesenbelastung für die Koalition geworden«, sagte Grünen-Landeschefin Julia Schmidt bereits im Juni der Nachrichtenagentur dpa und damit öffentlich. Der Ton sei härter und persönlich verletzend geworden. Schmidt mutmaßte aber, hinter den Sticheleien von SPD und CDU stecke Neid auf die guten Umfragewerte der Grünen, die im Frühsommer einen Höhenflug hatten.

Bei der SPD macht man sich hinter vorgehaltener Hand lustig über die so sehr von sich selbst eingenommenen Grünen. Die schlechte Stimmung ist mit Händen zu greifen. Von einem bevorstehenden Bruch der Koalition kann jedoch keine Rede sein. Die oppositionelle Linke tut gut daran, es nicht wie die CDU zu machen, die in den Jahren der rot-roten Koalition von 2009 bis 2019 gebetsmühlenartig vorhersagte, diese Koalition sei am Ende und werde bald abgelöst.

Rot-Schwarz-Grün wird schon allein deshalb mindestens bis zum Ende der Legislaturperiode 2024 durchhalten, weil es dazu nur eine Alternative gibt: Rot-Rot-Grün. Und die SPD möchte sich sicher ungern mit zwei Parteien einlassen, die sich eigentlich ganz gut untereinander verstehen und in der Sozial- und Umweltpolitik gemeinsam Druck auf die Sozialdemokraten ausüben würden. Ein Beispiel dafür ist die Frage eines Ausstiegs aus der Braunkohle in der Lausitz nicht erst 2038. Schon im Jahr 2030, wie die Grünen es möchten, lässt sich der Ausstieg wohl nicht hinbekommen, aber doch vielleicht 2035.

Die Idee einer koalitionsinternen Blockbildung von Grünen und Linken gegen die SPD kann den Sozialdemokraten schon 2019 nicht gefallen haben. Freilich spielte damals bei der Entscheidung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) für eine Koalition unter Einbeziehung der CDU vor allem eine Rolle, dass Rot-Schwarz-Grün über ein paar Stimmen mehr im Parlament verfügt als Rot-Rot-Grün.

Derzeit schont Die Linke in der politischen Auseinandersetzung die Grünen nicht. Doch das ist das übliche Spiel von Opposition und Regierung. Darüber dürften sich die Grünen nicht wundern. Es ist leicht zu durchschauen. In der Sache haben diese beiden Parteien mehr Berührungspunkte miteinander als mit den anderen Parteien.

Während Gesundheitsministerin Nonnemacher, die immerhin auch stellvertretenden Ministerpräsidentin ist, in der Kritik steht und sogar als unfähig eingestuft wird, macht Umweltminister Axel Vogel (Grüne) seinen Job souverän.

In der CDU gab es 2019 ziemliches Grummeln, weil die Grünen in den Koalitionsverhandlungen zu viel durchgesetzt hätten und die CDU zu wenig. Jetzt zeigt sich wieder einmal, dass Papier geduldig ist. Die CDU hat mehr Gewicht in der Koalition, als man nach den Verhandlungen hätte denken können. Für ihre drei Minister für Justiz, Inneres und Infrastruktur läuft es ganz passabel. Dass die CDU zugunsten von Jörg Steinbach (SPD) auf das Wirtschaftsministerium verzichtete, weil der US-Autokonzern Tesla sich nach der Wahl nicht an einen neuen Ansprechpartner für seine Investition in Grünheide gewöhnen wollte, ist kein Nachteil. Die CDU kann sich zwar nicht im Licht von Tesla-Boss Elon Musk sonnen, bekommt aber auch nicht den Ärger der Anwohner und Naturschützer über die entstehende Autofabrik ab. Und mit den enormen Kosten der Coronakrise muss sich Finanzministerin Katrin Lange (SPD) herumschlagen.

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