So klappt's mit den lieben Nachbarn

Gute Nachbarschaft und was man dafür tun kann

  • Lesedauer: 4 Min.

Nachbarn können nerven, mit manchen gibt es sogar Streit. Doch in vielen Fällen wären Mieter ohne sie aufgeschmissen. Die Rentnerin, die Pakete annimmt, während man im Büro ist, die Familie, die während des Urlaubs die Blumen gießt oder die Katze füttert. Die Studierenden-WG, die sich die Bohrmaschine ausleiht und zum Dank dafür zum Grillen auf den Hof einlädt. Nicht immer ist so viel nachbarschaftliche Nähe erwünscht, aber oft ist sie praktisch und auch richtig schön.

Wichtig in Krisenzeiten

Besonders in Krisen wie der Corona-Pandemie kann gute Nachbarschaft entlasten. Wer alt oder vorerkrankt ist oder unter Quarantäne steht, ist auf Hilfe angewiesen - etwa beim Einkaufen, wenn er/sie das Haus nicht verlassen kann. Schnell fanden sich hilfreiche Kollektive zusammen, die per Aushang an Haustüren oder Straßenlaternen Hilfe anboten. Auch soziale Organisationen wie die Diakonie oder die Volkssolidarität bieten Nachbarschaftshilfe an oder bringen Helfende mit Hilfsbedürftigen zusammen.

Bei Naturkatastrophen wie dem Hochwasser, das im Juli Teile von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen traf, ist nachbarschaftlicher Zusammenhalt besonders wichtig. Die gemeinsame Bewältigung solcher Krisen kann den Zusammenhalt in einem Viertel oder einer Stadt stärken und das künftige Zusammenleben verbessern.

Auch in Nichtkrisenzeiten gibt es vielerorts Initiativen, die auf gute Nachbarschaft abzielen. Ob Nachbarschaftsgärten, Veranstaltungen wie Straßenfeste, Balkonkonzerte, Stadtteilversammlungen oder gemeinsame Aktionen lokaler Gewerbetreibender sind als Formen nachbarschaftlicher Beteiligung denkbar.

Viele Kommunen regen Nachbarschaftsinitiativen im Rahmen von Programmen zum Quartiersmanagement an und fördern gute Projekte finanziell. Auf den Internetseiten der Kommunen und Städte sind Adressen von Nachbarschaftshilfeorganisationen und Tipps, wie man selbst tätig werden kann.

Eine neue Initiative gründen

Eine neue Initiative auf die Beine zu stellen, ist trotz solcher Hilfen aber nicht immer einfach. Als Erstes müssen sich - besonders in den anonymen Großstadtvierteln, wo viele nicht einmal alle Bewohner des Hauses kennen - Menschen zusammenfinden, die ein gemeinsames Interesse haben, sich für eine Idee oder ein Projekt engagieren wollen. Das kann über Aushänge im Supermarkt oder an Haustüren erfolgen oder auch mit Zetteln und Broschüren in den Briefkästen.

Wer sich nicht traut, an Wohnungstüren zu klingeln, um die Nachbarn kennenzulernen, kann sich auf Webseiten wie www.nebenan.de, www.nextdoor.de - beide gibt es auch als App - oder www.nachbarschaft.net kostenlos registrieren und sich mit Menschen aus der Nähe verbinden lassen.

Die Portale funktionieren ähnlich: Man meldet sich an, gibt an, wo man wohnt, damit man mit Menschen aus der Umgebung verbunden werden kann. Anschließend kann man Initiativen gründen, sich für Freizeitaktivitäten zusammenfinden, Tauschgeschäfte tätigen und Babysitting, Einkaufen oder kleinere Hilfsarbeiten anbieten.

Besonders für Alleinlebende, die sich nachbar- oder freundschaftliche Kontakte im direkten Umkreis wünschen, kann das eine gute Möglichkeit sein. Auch wer Hilfe sucht oder anbieten möchte, findet in den Netzwerken passende Angebote und Gleichgesinnte. Voraussetzung ist allerdings, dass genug Menschen aus dem Umkreis angemeldet sind. In Kleinstädten und Dörfern ist das wegen der niedrigen Bevölkerungszahlen schwierig, auch in den Wohnvierteln der Großstädte ist das Interesse nicht überall gleich groß.

Was hinter den Plattformen steckt

Laut eigenen Zahlen hat das 2015 gegründete Netzwerk nebenan.de 1,9 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer, die meisten davon in Berlin, München, Hamburg, Köln und Frankfurt am Main. Rund 8000 Nachbarschaften mit einigen hundert bis mehreren tausend Mitgliedern seien registriert. Ab zehn Personen wird eine neue Nachbarschaft erstellt, die im besten Fall wächst.

Auch Organisationen und gemeinwohlorientierte sowie kommunale Institutionen können sich anmelden, Veranstaltungen ankündigen, Ehrenamtliche suchen oder Meinungen zu anstehenden Projekten einholen. Bundesweit nutzen derzeit auch 58 000 lokale Gewerbetreibende die Plattform. Sie sollen durch kostenpflichtige Mitgliedschaft und bezahlte Werbung zur Finanzierung des teilweise zum Burda-Verlag gehörenden Netzwerks beitragen.

Nextdoor, geründet 2011 in den USA zur Verhinderung von Einbrüchen, agiert inzwischen in elf Ländern, 275 000 Nachbarschaften seien weltweit registriert.

Nebenan.de will nach eigener Aussage »langfristig gesellschaftlichen Mehrwert und Zusammenhalt schaffen«. Es solle ein Zuhausegefühl entstehen. Als Mittel dient auch der »Tag der Nachbarn«, der europaweit jedes Jahr Ende Mai mit Nachbarschaftsfesten und Gemeinschaftsaktionen begangen wird. Nächste Termin: 27. Mai 2022.

Wer nicht so lange warten möchte, findet auch zwischendurch Möglichkeiten, das Zusammenleben schöner zu gestalten. Ein kleiner Plausch im Hof, ein Dankeschön fürs Pakete annehmen oder das Erledigen von Einkäufen für Kranke oder Alte können die Stimmung im Haus oder in der Straße verbessern. In solcher Nachbarschaft können auch aufkommende Konflikte besser bewältigt werden - damit es erst gar nicht zum berüchtigten Nachbarschaftsstreit kommt. Aus: MieterZeitung 4/2021

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