Facebooks lange Leitung

Paul Hildebrand zum Vorgehen gegen Querdenken-Netzwerke

  • Paul Hildebrand
  • Lesedauer: 2 Min.

Es brauchte über ein Jahr offensichtlicher Radikalisierung und unzählige Übergriffe auf Journalist*innen, Polizist*innen und Menschen, die Covid-19 nicht für eine Verschwörung halten, bis Facebook reagierte: 150 »Querdenken«-Kanäle sind laut dem Unternehmen vorerst nicht mehr erreichbar. Die monatelange Ignoranz gegenüber der Gefahr, die von organisierten Coronaleugner*innen und Verschwörungsideolog*innen für die Gesellschaft ausgeht, verhöhnt Menschen, die seit den ersten Demonstrationen vor dem Gewalt- und Radikalisierungspotenzial des Netzwerks warnten oder Betroffene eines Übergriffs geworden sind.

In einem Blogeintrag verkauft Facebooks Sicherheitschef Nathaniel Gleicher das lange überfällige Sperren der Accounts als einen Dienst an der Gesellschaft. Schließlich mache das Unternehmen mit der Aktion »die breite Öffentlichkeit auf diese Problematik und die damit einhergehende potenzielle Gefahr für die Gesellschaft aufmerksam«. Als ob sich Gesellschaft und Politik bisher nicht an Querdenker*innen abgearbeitet hätten, als ob der auch auf Facebook befeuerte Verschwörungsglaube nicht längst Familien- und Freund*innenkreise beschäftigt und auseinandertreibt. Sogar der Verfassungsschutz kam dem Unternehmen mit der bundesweiten Beobachtung von »Querdenken« zuvor.

Statt die jahrelange Ignoranz gegenüber verschwörungsideologischen und hetzerischen Inhalten und Gruppen offen anzusprechen, entschied sich Facebook für die öffentlichkeitswirksame Flucht nach vorn. Die Überschriften diverser Medien teilen den Spin des Unternehmens. Tagesschau.de sieht einen »beispiellosen Schritt«. Dass Facebook weiter verschwörungsideologischen Gruppen Reichweite verschafft, sie einem Millionenpublikum via Algorithmus empfiehlt und damit aktiv unterstützt, zeigt sich bei Suchbegriffen wie »Impfen«, »QAnon« und entgegen den Beteuerungen des Unternehmens auch bei »Querdenken«.

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