- Kommentare
- Sondierungen
Sozialismus als Jugendsünde
Aert van Riel zur Rolle der Jusos bei den Sondierungen
Nicht wenige Sozialdemokraten, die in der Partei Karriere machen, waren in ihrer Jugendzeit sehr links. Noch heute erklären die Jusos, dass sie eine sozialistische Gesellschaft anstreben. Doch Menschen ändern sich, wenn sie in Kompromisse eingebunden werden und Annehmlichkeiten schätzen lernen, die bestimmte Positionen und Ämter mit sich bringen. So wird es wohl auch einigen der 49 Jungsozialisten ergehen, die nun für die SPD in den Bundestag eingezogen sind. Die Vorsitzende des Jugendverbands, Jessica Rosenthal, weiß, dass sie mit diesen Abgeordneten eine Hausmacht in der Fraktion hat und der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Olaf Scholz nicht einfach über die Interessen und Anliegen der jungen Menschen hinweggehen kann. Deswegen hat sie Scholz nun dazu aufgefordert, den Parteinachwuchs in die Sondierungsgespräche mit Grünen und FDP einzubinden.
Scholz kann der Zusammenarbeit mit den Jusos aber gelassen entgegensehen. Sonderlich radikale Forderungen muss er nämlich nicht befürchten. Die Jungsozialisten wollen nach den Worten ihrer Vorsitzenden noch nicht einmal, dass es bei den Verhandlungen über eine neue Bundesregierung rote Linien gibt. Derzeit ist zu hören, dass sich die Jusos für einen früheren Kohleausstieg einsetzen wollen. Bei diesem Thema muss wohl ohnehin ein Kompromiss mit den Grünen gefunden werden. Das weiß auch Scholz. Hinzu kommt, dass der SPD-Spitzenmann seinen Laden sehr gut kennt. Scholz war früher Marxist und gehörte zu den jungen Sozialdemokraten, welche die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus vertraten. Den in der Partei nicht ungewöhnlichen Weg zum eher konservativen Sozialdemokraten hat er schon längst abgeschlossen. Er weiß, dass ihm dabei so manche junge Genossen folgen werden.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.