Die Linke kann doch noch gewinnen

Silvia Ristow erobert das Rathaus von Bernburg und eröffnet der Linken neue Chancen.

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Sonntagabend um kurz nach 19 Uhr machte sich Freude, aber auch Erleichterung im Wahlkreisbüro von Jan Korte in Bernburg breit. Die Sektgläser klirrten, im Hintergrund erklang ein Saxofon. »Wir können noch siegen«, jubelte Korte, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag und Abgeordnete des Wahlkreises Anhalt. »Es ist vollbracht! Jippie!«, schrieb Eva von Angern, Fraktionschefin im Magdeburger Landtag, auf Twitter. Kurz zuvor war das Ergebnis der Stichwahl um das Rathaus in Bernburg bekannt geworden: Silvia Ristow, die Kandidatin der Linken, hatte gegen den CDU-Bewerber Thomas Gruschka mit 69,41 Prozent gewonnen – Wahlbeteiligung: rund 38 Prozent – und wird neue Oberbürgermeisterin der 32 000-Einwohner-Stadt in Sachsen-Anhalt.

Entsprechend breit war das Grinsen, das Eva von Angern und Landeschef Stefan Gebhardt aufsetzten, während die Siegerin etwas überwältigt wirkte. Nach den Gründen für den Erfolg gefragt, musste Silvia Ristow kurz nachdenken. »Das ist eine sehr schwere Frage«, sagte sie dem lokalen Nachrichtenportal »BBG Live«. Sie sei »total gerührt, total fassungslos« und »hoffe«, dass ihr Wahlprogramm die Bürger überzeugt habe.

Worte, aus denen mehr die Überraschung als die Überzeugung sprach – nach all den Katastrophen und Rückschlägen auf Bundes- und Landesebene nur allzu nachvollziehbar. Dabei gibt es durchaus Gründe für das gute Abschneiden Ristows: Seit vielen Jahren engagiert sich die Kommunalpolitikerin, die bei der Wahl am Sonntag auch von SPD und Grünen unterstützt wurde, für ihre Region. Sie sitzt im Kreistag, ist in der Stadtverwaltung Bernburg Dezernentin im Bereich »Innere Dienste« und engagiert sich im Reitverein Bernburg-Roschwitz. »Sie hat eine extrem bürgernahe Politik betrieben und über Parteigrenzen hinaus Anerkennung erworben«, sagte Linke-Landeschef Stefan Gebhardt am Montag gegenüber »nd«.

Noch dauert es ein wenig, bis Ristow den Schlüssel zu ihrem neuen Büro bekommt: Ihre Amtszeit beginnt erst am 1. März 2022. Viel wichtiger ist aus Sicht der Linken aber dieses Wahlergebnis. Man hörte am Sonntagabend die Steine von den Herzen der Genossen purzeln. »Wir wurden schon oft für tot erklärt. Aber wir sind nicht tot«, sagt Stefan Gebhardt. In der Tat eröffnet sich mit den beiden möglichen Landeskoalitionen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, aber auch mit Erfolgen auf kommunaler Ebene wie in Bernburg der Linken ein Möglichkeitsfenster, den verloren geglaubten Zugang zu den Bürgern – in Wahlanalysen häufig als Grund für die Rückschläge ausgemacht – zurückzugewinnen.

Was bei der Wahl in Bernburg auch ins Auge fiel: Die AfD hatte, anders als auf Landes- und Bundesebene, nicht den Hauch einer Chance. Bereits in der ersten Runde hatte Ristow mit 39,15 Prozent der Stimmen vor Gruschka (31,9 Prozent) gelegen. Die anderen beiden Kandidaten, Kai Mehliß (parteilos) und Henriette Hellfritsch-Hüttl (AfD) kamen jeweils nur auf rund 14,5 Prozent. Der bisherige Amtsinhaber Henry Schütze (parteilos) war nicht wieder zur Wahl angetreten.

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