Arbeitsreform entzweit die Regierung

In Spanien streiten sich Sozialdemokraten und Linke über die Dimension notwendiger sozialer Korrekturen

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Konflikt schwelt weiter zwischen Sozialdemokraten (PSOE) und der Linkskoalition Unidas Podemos (UP) in der zentralen Frage der Arbeitsmarktreform. Für kommenden Dienstag hat Sánchez eine Sitzung anberaumt, an der neben der kommunistischen Arbeitsministerin Yolanda Díaz von Unidas Podemos auch die Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, die Finanzministerin María Jesús Montero, der Minister für soziale Sicherheit José Luis Escrivá und die Bildungsministerin Pilar Alegría teilnehmen werden, die allesamt der sozialdemokratischen PSOE angehören, dem Seniorpartner in der Minderheitsregierungskoalition Spaniens. »Ich würde mir wünschen, dass Pedro Sánchez den Vorsitz in der Frage der Abschaffung der Arbeitsreform übernimmt«, hatte die Arbeitsministerin zuvor erklärt.

Die Streichung der Arbeitsmarktreform der konservativen Volkspartei (PP) wurde vor zwei Jahren nicht nur im Koalitionsvertrag festgeschrieben, sondern auch Unterstützern der Minderheitsregierung immer wieder zugesichert. Zuletzt hatte Sánchez auf dem PSOE-Parteitag Mitte des Monats erklärt: »Wir gehen voran, indem wir Gesetzen wie dem Maulkorbgesetz und der Arbeitsreform der PP ein Ende setzen, die Verträge prekärer machte und die Löhne senkte.« Gegen die PP-Reform, die den Kündigungsschutz beseitigt, Abfindungen stark gesenkt und die Einflussmöglichkeiten von Gewerkschaften beschnitten hatte, gab es auch Generalstreiks.

Zur Arbeitsmethode hatte Sánchez vorgeschlagen, dass die Arbeitsministerin die Verhandlungen mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften im Sozialpakt weiterführen soll. Doch er hatte von »neuen internen und externen Koordinationsmechanismen« gesprochen. Dass Díaz gleich mehrere von der PSOE geführte Ressorts in ihre Kompetenzen hereinreden sollten, lehnte die aber ab. Nun soll sie sich nicht mit Ministern oder Staatssekretären koordinieren, sondern mit in der Hierarchie ihr untergeordneten Ressortleitern.

Es ist verständlich, dass Díaz vehement eine Einmischung der über ihr stehenden Calviño abgelehnt hat. Der Konflikt hatte sich genau daran entzündet, dass die neoliberale Wirtschaftsministerin – erneut – in ein Vorhaben der Arbeitsministerin gegrätscht war. Die Kommunistin hatte zuvor verkündet, dass eine »Reform« der Arbeitsmarktreform auf der Zielgeraden sei. Von einer Streichung der PP-Variante traute sie sich nicht einmal mehr zu sprechen.

Die Wirtschaftsministerin hatte schon UP-Vorhaben zum Mieterschutz oder das Gesetz zur Regelung für die Beschäftigten auf digitalen Plattformen verwässert. Calviño hatte Erwartungen zurückgeschraubt und erklärt, es habe nur »vorbereitende Kontakte« gegeben. Dem widersprach auch der Chef der größten Gewerkschaft CCOO empört, da seit vielen Monaten verhandelt wird. Angesichts der Blockade der Unternehmerverbände, bereitete sich Díaz auf eine »Lösung« ohne Arbeitgeber vor, wie es sie zuvor beim Mindestlohn gab. Der wurde aber nur um »miserable« 15 Euro im Monat angehoben, hatte der Chef der großen Gewerkschaft UGT entsetzt erklärt.

Dass die Koalition in schwerem Wasser ist, hat aber nicht nur mit der »Einmischung« von Calviño zu tun. Obwohl die Rechtsabteilung des Parlaments sich dagegen aussprach, hatte die PSOE-Parlamentspräsidentin Meritxell Batet dem Podemos-Abgeordneten Alberto Rodríguez den Sitz entzogen. Der Organisationssekretär war zu einer 45-tägigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, die mit einer Geldstrafe von 540 Euro beglichen werden konnte. Er soll 2014 einen Polizisten bei Protesten getreten haben, was er bestreitet. Neben dessen Aussage gab es keinen Beweis. Da er auch zu einem Amtsverbot von 45 Tagen verurteilt wurde, entzog ihm Batet den Sitz, was von hochrangigen Juristen fast einhellig als verfassungswidrig beurteilt wird. Auf die angekündigte Anzeige wegen »Rechtsbeugung« verzichtet Podemos nun zwar, aber die Empörung ist weiter groß in den linken Reihen über den skandalösen Vorgang.

Die Konflikte mit der UP sind nur eine Baustelle von Sánchez. Ob er seinen Haushalt durchbringen kann, ist unsicher. Die christdemokratische Baskisch-Nationalistische Partei (PNV), auf deren Stimmen er angewiesen ist, droht mit Ablehnung. Sie machte Sánchez klar: »Ihre Regierung ist in Gefahr.« Die PNV überlegt, bis zum Fristablauf am Wochenende einen Ablehnungsantrag einzubringen. Auch die Republikanische Linke Kataloniens und die baskische EH Bildu (Baskenland Vereinen) stehen dem Haushalt kritisch gegenüber, da es weder in den Verhandlungen zum Katalonien-Konflikt noch zur Frage der baskischen Gefangenen zehn Jahre nach dem Ende der Untergrundorganisation ETA Fortschritte gibt. Sánchez’ Spiel auf Zeit birgt viele Risiken.

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