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- Friedenspolitische Ratschlag in Kassel
Veto gegen Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen
Der Friedenspolitische Ratschlag in Kassel sucht nach Strategien des Widerstands – auch innerhalb der Gewerkschaften
»Geht auf die Straße und schreit alle: Feuer, Feuer, unsere Erde wird verbrannt!« – mit diesem aufrüttelnden Antikriegssong eröffnete der Straßenmusiker Philipp Hoffmann am Samstag den 32. Friedenspolitischen Ratschlag, der im Philipp-Scheidemann-Haus in Kassel tagte. Das bekannte Antikriegslied bildete den passenden Auftakt zu einem Kongress, der in diesem Jahr unter dem Motto »Widerstand gegen Kriege und Kriegsvorbereitungen« stand. »Ein Viertel der diesjährigen Teilnehmer*innen ist zum ersten Mal dabei«, bemerkte Jutta Kausch-Henken vom Vorbereitungskreis bei der Eröffnung.
Durch die Debatten der Tagung zog sich eine zentrale Frage: Wo sind die Kräfte in Deutschland, die Kriege und Kriegsvorbereitungen stoppen können? Der Blick richtete sich dabei auch auf die Gewerkschaften und ihre Rolle im Kampf gegen den neuen Militarismus. Immer wieder, so wurde berichtet, würden Kolleg*innen an der Basis von den Gewerkschaftsführungen gemaßregelt, wenn sie sich antimilitaristisch äußern.
Diese Erfahrung machte kürzlich die Verdi-Betriebsgruppe an der Freien Universität Berlin. Ihr wurde untersagt, eine verabschiedete Resolution unter dem Verdi-Logo zu veröffentlichen, in der sie sich für einen antimilitaristischen Kurs an den Hochschulen aussprach. Die Berliner Verdi-Führung störte sich unter anderem an der Forderung, dass die Gewerkschaften angesichts der Debatte über eine neue Wehrpflicht Beratungsstellen für Kriegs- und Militärdienstverweiger*innen anbieten sollen.
Doch es gibt auch Gewerkschaftsgliederungen, die sich klar gegen Aufrüstung positionieren. Darauf ging Ulrike Eifler vom Parteivorstand der Linken in ihrer Rede auf dem Eröffnungsplenum ein. Sie benannte zugleich die Schwierigkeiten einer antimilitaristischen Praxis innerhalb der Gewerkschaften: Es sei nicht leicht, die Friedensbewegung dort zu verankern. Durchsetzungsstärke gewinne sie jedoch, »wenn sie Menschen in den Betrieben für ihr Anliegen gewinnt«, betonte Eifler.
»Die Bewegung für den Frieden und die Bewegung gegen Sozialabbau müssen zusammen gedacht werden, weil sie zusammengehören.« Ihr Rat an die Zuhörerinnen lautete: »Mit unversöhnlicher Ungeduld gegenüber den Verhältnissen, aber mit größter Geduld gegenüber den Kolleginnen in den Betrieben vorgehen.« Als Beispiel für Mut nannte sie »die drei Busfahrer aus München«, die sich weigerten, Fahrzeuge mit Bundeswehrwerbung zu lenken. Das Eröffnungsplenum endete mit donnerndem Applaus.
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Zuvor hatte der Publizist und Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung Ingar Solty dargelegt, dass hinter dem gegenwärtigen Aufrüstungskurs ein kriegskeynesianisches Konzept stehe: Mit Rüstungsausgaben solle die schwächelnde kapitalistische Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden. Damit solle das exportorientierte Wirtschaftsmodell ersetzt werden, das sich in einer tiefen Krise befindet. Solty bezweifelte jedoch, dass dieser Kurs Erfolg haben könne: »Rüstungspolitik ist kein Antidot, sondern ein Treiber der Deindustrialisierung«, betonte er. Eine anschließende Podiumsrunde befasste sich mit dem Widerstand gegen Wehrpflicht und andere Formen von Zwangsdiensten.
Auch die zunehmende Repression gegen antimilitaristische Aktionen in Deutschland war Thema. In einem Workshop berichtete Daniel Seifert vom Bündnis »Rheinmetall entwaffnen« über die Kriminalisierung des gleichnamigen Camps Ende August in Köln. Nachdem ein Verbot des Camps vom Gericht aufgehoben worden war, zerschlug die Polizei am 30. August die Abschlussdemonstration. Hunderte Antimilitarist*innen wurden über Stunden in einem Polizeikessel festgehalten. Viele Teilnehmer*innen des Kongresses sprachen sich für eine engere Zusammenarbeit zwischen Friedensratschlag, »Rheinmetall entwaffnen« und der Klimagerechtigkeitsbewegung aus.
Ob eine solche Kooperation zustande kommt, wird sich in den kommenden Monaten auf der Straße und im Widerstand gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht zeigen.
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