• Berlin
  • Gesundheit am Arbeitsplatz

Kaum Überprüfung psychischer Belastung

Arbeitssicherheitsreport der Dekra zeigt Handlungsbedarf bei Arbeitgebern auf

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Betriebsunfälle gilt es nach Möglichkeit zu vermeiden, und doch bleiben die entsprechenden Zahlen in Berlin bei etwas über 30.000 und Brandenburg bei rund 25.000 Fällen relativ konstant. Das zeigt der Arbeitssicherheitsreport 2021 der Prüfgesellschaft Dekra, der an diesem Mittwoch vorgestellt wurde. Aufholbedarf gibt es bei den Betrieben aber vor allem bei der Bekämpfung der psychischen Belastung: Knapp zwei Drittel der 1500 von Dekra befragten Arbeitnehmer*innen geben an, dass in ihrem Unternehmen keine psychische Gefährdungsbeurteilung stattgefunden hat, obwohl eine solche gesetzlich vorgeschrieben ist.

»Das ist schon grob fahrlässig, dass dieses Instrument nicht angewandt wird«, sagt Volker Postel, Leiter der Dekra-Niederlassung in Berlin. Es bestehe nämlich immer die Gefahr, dass körperliche Krankheiten und Gefährdungen leichter sichtbar seien als psychische. Wenn dann bestehende Gesetze und Maßnahmen zum Schutz der Psyche nicht umgesetzt würden, müsse sich dringend etwas ändern, so Postel. Ähnlich sehen es auch die Befragten der Forsa-Umfrage, die Dekra Ende letzten Jahres durchführen ließ: 88 Prozent empfinden eine Zunahme des negativen psychischen Stresses in der Arbeitswelt, 71 Prozent stufen die psychischen Belastungen höher ein als die körperlichen und 80 Prozent wünschen sich mehr Präventionsmaßnahmen von ihrem Arbeitgeber.

»Wir müssen den Arbeits- und Gesundheitsschutz gemäß gesetzlicher Grundlagen ernst nehmen und eine Sicherheitskultur etablieren«, sagt Karin Müller, Leiterin des Fachbereichs Mensch und Gesundheit bei Dekra. Weltweit gäbe es inzwischen aussagekräftige Datenlagen, die aufzeigen, wie gefährlich die psychische Belastungen am Arbeitsplatz sind. »Die Arbeitsunfälle gehen zurück, aber Arbeitsausfälle und Erwerbsunfähigkeiten aufgrund psychischer Erkrankungen nehmen zu«, sagt sie. Um daran etwas zu ändern, gebe es zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten, zum Beispiel durch Arbeitspsycholog*innen, um die Arbeitsorganisation so zu gestalten, dass die Mitarbeitenden entlastet würden.

Das Problem psychischer Belastung im Arbeitsalltag haben auch die Berliner Arbeitsschutzbehörden auf dem Schirm, sagt der Direktor des Landesamts für Arbeitsschutz, Robert Rath. »Zunächst ist der Arbeitgeber dafür verantwortlich, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und entsprechende Maßnahmen zur Entlastung umzusetzen. Wir überprüfen, ob das tatsächlich passiert und verhängen gegebenenfalls Bußgelder«, so Rath. Dabei sei anzumerken, dass »Arbeit grundsätzlich belastend« und »nicht zuträglich für die Gesundheit« ist. Die Arbeitgeber seien also aufgefordert, die Arbeit so zu gestalten, dass sie der Gesundheit so zuträglich wie möglich und menschenwürdig ist. Besonders hoch seien psychische Belastungen bei monotonen Arbeiten. »Beschäftigte sind deutlich zufriedener, wenn sie Gestaltungsmöglichkeiten haben«, sagt Rath.

Ein aktueller Schwerpunkt der Arbeitsschutzbehörden und auch des Dekra-Berichts liegt auf der Umsetzung der Homeoffice- und Infektionsschutzregeln. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer*innen fühlt sich am Arbeitsplatz gut vor Corona geschützt. Trotzdem bevorzugen 38 Prozent der Befragten im Homeoffice zu arbeiten, um sich zu schützen - darunter vor allem unter 35-Jährige. Allerdings beklagen auch 71 Prozent der Befragten den fehlenden Kontakt zu Kolleg*innen vom heimischen Schreibtisch aus. Über ein Drittel der Beschäftigten beklagen außerdem gesundheitliche Probleme wie Rückenschmerzen und unzureichende Arbeitsausstattung.

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