Überraschende Wende im Elch-Gate

Die russischen Behörden erhöhen den Druck auf Moskaus KP-Chef Waleri Raschkin

  • Birger Schütz
  • Lesedauer: 3 Min.

Um Ausreden war Waleri Raschkin nicht verlegen: Ihm Wilderei vorzuwerfen sei »absurd und zynisch«, erklärte Moskaus KP-Chef, als er Ende Oktober mit dem zerlegten Kadaver eines Elches in einem Wald bei Saratow gestoppt wurde. Er habe das von Wilderern erlegte und entbeinte Tier beim Spazieren gefunden, die Übeltäter verjagt und den Elch mit dem Auto zur Polizei schaffen wollen, verteidigte sich der 66-Jährige, gegen den umgehend Ermittlungen wegen Wilderei eingeleitet wurden. Die nächtliche Kontrolle sei eine von den Behörden inszenierte Provokation, um eine unbequemen Kritiker loszuwerden, hieß es dazu aus der russischen KP.

Am vergangenen Donnerstag legte der Duma-Abgeordnete nun eine viel beachtete Kehrtwende hin. Ja, er habe den Elch erlegt, gab Raschkin reumütig in einem 17-minütigen Video zu, das er auf seinem YouTube-Kanal veröffentlichte. Jedoch habe er den Paarhufer nicht vorsätzlich getötet. Der Elch, der in dem Saratower Waldstück in diesem Jahr nicht bejagt werden darf, sei einem bedauerlichen Irrtum zum Opfer gefallen. Beim Blick durch das Nachtfernzielrohr seines Gewehres habe er die Silhouette des Geweihträgers aufgrund schlechter Sichtverhältnisse mit der eines kapitalen Ebers verwechselt – und zwei Mal auf diesen geschossen. Den Irrtum habe er erst während der Kontrolle der erlegten Beute bemerkt, so Raschkin. Jedoch habe er die Verwechslung nicht für tragisch gehalten. Zu diesem Zeitpunkt sei er noch davon ausgegangen, dass die Bekannten, die ihn zur Jagd eingeladen hatten, über eine Erlaubnis zum Abschuss von Elchen verfügten. Ein Irrtum, wie sich bei der anschließenden Polizeikontrolle herausstellte. »Ich halte mich moralisch für schuldig«, erklärte Raschkin am Montag und bot an, entweder einen neuen Elch zu kaufen, oder den Wert des Tieres – umgerechnet rund 950 Euro – zu zahlen.

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Russische Medien bringen Raschkins plötzliches Videogeständnis mit einem zuvor ergangenen Antrag der russischen Staatsanwalt in Verbindung. Diese will die parlamentarische Immunität des Abgeordneten aufheben und ein Strafverfahren einleiten, an dessen Ende Raschkin eine Gefängnisstrafe und der Verlust seines Dumamandates drohen. Die für Donnerstag angesetzte Abstimmung in der Duma gilt weithin als Formsache.

Für staatsnahe Medien ist der Skandal um den Moskauer KP-Boss, der im Gegensatz zu Parteichef Gennadi Sjuganow als scharfer Kremlkritiker gilt, ein gefundenes Fressen. Dem Telegram-Kanal »Moshem objasnit« zufolge veröffentlichten russische Medien allein zwischen dem 29. Oktober und 1. November 4756 Meldungen über das Elch-Gate. Zum Vergleich: In der heißen Phase vor der Dumawahl erschienen pro Woche zwischen 3000 und 4000 Artikel über sämtliche zugelassenen Parteien, welche gegen die Staatspartei Einiges Russland antraten.

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