Propaganda für ehemalige Potentaten

Geschichts- und Rechtswissenschaftler bringen ein Buch zu den Hohenzollern heraus, das zu unkritisch ist

Wer den Hohenzollern schaden möchte, der sollte ein Buch dieser Machart schreiben, dessen Gipfel erreicht ist mit dem Satz: »In Rumänien, Albanien, Serbien und Montenegro vermittelt royaler Flair überdies willkommene Bezugspunkte gesellschaftlichen Lebens - Leitbilder des Benehmens, des Geschmacks und der Etikette in einer von solchen Tugenden jahrzehntelang entwöhnten Welt realsozialistischer Tristesse.«

Der Historiker Frank-Lothar Kroll schildert den Umgang etlicher Balkanstaaten mit ihren ehemals regierenden Fürstenhäusern freilich als mögliches Vorbild für Deutschland. Aber das geht nach hinten los. Keiner dieser Staaten setzte irgendjemand wieder auf den Thron. Es gab die eine oder andere Immobilie zurück, eine Entschädigung für enteigneten Besitz, zuweilen Vereinbarungen über repräsentative Aufgaben. Die so Bedachten revanchieren sich mit karitativen Stiftungen - und spielen dennoch keine nennenswerte Rolle. Simeon II. von Bulgarien wurde auch nicht etwa neuer Zar, sondern 2001 zum Ministerpräsidenten gewählt.

Kroll meint dennoch, es stünde »der politischen Kultur der Berliner Republik nicht übel zu Gesicht, wenn manch einer ihrer tonangebenden Repräsentanten« seine Furcht überwinden und etwas mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Thema Monarchie zeigen würde. Zusammen mit seinem Historikerkollegen Michael Wolffsohn und dem Kirchenrechtler Christian Hillgruber gab Kroll das Buch »Die Hohenzollern-Debatte« heraus. Es versammelt 22 Beiträge zu einem geschichtspolitischen Streit. So auch der Untertitel. 22 Männer und eine Frau steuerten etwas bei: Rechts- und Geschichtswissenschaftler vor allem, aber auch Journalisten und Niedersachsens Kulturminister Björn Thümler (CDU). Letzterer liefert einen Aufsatz über dynastisches Kulturerbe in einer demokratischen Gesellschaft am Beispiel von Schloss Marienburg. Und Hans Ottomeyer, der frühere Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums in Berlin, berichtet über die Versteigerung von Stücken aus hochherrschaftlichen Sammlungen, nachdem sich die öffentliche Hand viel zu oft knauserig gezeigt habe. »Das Tafelsilber ist rasch verkauft, aber der Verlust ist endgültig«, mahnt Ottomeyer.

Das alles passt mehr oder weniger zur Frage einer finanzielle Entschädigung von 1,2 Millionen Euro für nach dem Zweiten Weltkrieg in der sowjetischen Besatzungszone enteigneten Besitz der Hohenzollern. Es passt auch zum Streit darüber, wem zahlreiche Kunstschätze in Museen und Depots nun gehören - dem Staat oder den Nachfahren des letzten deutschen Kaisers.

Die öffentliche Meinung scheint überwiegend gegen die Hohenzollern zu sein. Dagegen schreiben die Autoren des Buches an - mal sachlich, mal geifernd. Nicht die Hohenzollern wollten dem Staat etwas wegnehmen, die Kommunisten hätten ihnen ihren rechtmäßigen Besitz geraubt, so der Tenor. Das sei der Skandal - und deshalb Wiedergutmachung angezeigt.

Historiker, Politiker und Journalisten, die das anders sehen, werden scharf angegriffen, etwa als Kammerjäger und Stubenjakobiner beschimpft. Ihre Kompetenz wird in Zweifel gezogen, beispielsweise mit dem spöttischen Hinweis, dass die eine zuletzt mit einem Spionagekrimi hervorgetreten sei, die andere sich mit mittelalterlichen Klöstern auskenne, aber nicht mit Preußen.

Wieder ein anderer sei Doktorand der Rosa-Luxemburg-Stiftung und schreibe für die Tageszeitung »nd«, was offenbar ein Makel sein soll. Außerdem wird dem Historiker Stephan Malinowski süffisant vorgehalten, sein angekündigtes Enthüllungsbuch über die Hohenzollern sei erst sein zweites Buch nach fast 20 Jahren wissenschaftlichen Wirkens. Allerdings ist Malinowskis dicker Wälzer »Die Hohenzollern und die Nazis« schon etliche Wochen vor »Die Hohenzollern-Debatte« erschienen und hat sich als ausgesprochen interessant und ausgezeichnet geschrieben herausgestellt.

Dagegen lässt der Stil einzelner Aufsätze in »Die Hohenzollern-Debatte« zu wünschen übrig. Teilweise muss man sich regelrecht hindurchkämpfen. Aber: Es zu lesen, ist keine Zeitverschwendung. Sehr hübsch ist etwa der Beitrag von Michael Sommer. Der ist übrigens auch kein Experte für Kronprinz Wilhelm von Preußen und dessen Anbiederei bei Adolf Hitler, sondern Professor für alte Geschichte. Sommer berichtet, wie die Geschichtsschreiber in römischer Zeit mit den Kaisern umgegangen sind, die sie fast alle als ausschließlich gut oder ausschließlich böse darstellten. Die Einschätzung jedes Kaisers war von den politischen Wünschen seiner Nachfolger mit bestimmt. Als Einstieg erzählt Sommer von einem 1894 erschienenen Büchlein von Ludwig Quidde mit dem Titel »Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn«. Quidde beschrieb demnach durchaus dicht an griechischen und lateinischen Quellen Kaiser Caligulas »Heißhunger nach militärischen Triumphen« und seine »ins krankhafte verzerrte Vorliebe für die See«. Augenzwinkernd bemerkte Quidde, dergleichen sei »unter den heutigen Umständen völlig unmöglich«. Die Zeitgenossen verstanden den Wink mit dem Zaunpfahl. Die Ähnlichkeit mit Kaiser Wilhelm II. Begeisterung für die Flotte war unverkennbar. »Das Büchlein erlebte binnen weniger Monate mehr als 30 Auflagen - und brachte seinem Verfasser eine kurze Gefängnisstrafe ein«, schreibt Sommer.

Zu empfehlen sind darüber hinaus auch die Ausführungen von Historikern wie Peter Brandt und Lothar Machtan zu der Frage, wie erheblich Wilhelm Prinz von Preußen den Nazis angeblich Vorschub leisten konnte. War der ehemalige Kronprinz Anfang der 1930er Jahren selbst bei monarchistisch gesinnten Kreisen wegen seines Lebenswandels unten durch und bekleidete kein einflussreiches Amt? Waren es nicht vielmehr Industrielle und der mit den Hohenzollern über Kreuz liegende Reichspräsident Paul von Hindenburg, die Hitler zur Macht verholfen haben?

Auch die juristischen Erläuterungen zu dem Entschädigungsfall sind aufschlussreich. Angeblich müsste Georg Friedrich Prinz von Preußen in dieser Sache gegen das Land Brandenburg obsiegen. Aber bekanntlich heißt es ja, vor Gericht und auf hoher See sei man in Gottes Hand.

Frank-Lothar Kroll, Christian Hillgruber, Michael Wolffsohn (Hrsg.): Die Hohenzollern-Debatte, Dunker & Humblot, 430 Seiten, 29,90 Euro

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal