Die Corona-Wissenschaft hat festgestellt, festgestellt, festgestellt

Jeja nervt: Omikron macht uns nicht zu Kindern, oder?

  • Jeja Klein
  • Lesedauer: 3 Min.

Erinnern Sie sich noch an das Konzept »Herdenimmunität«? Das war ja die Idee, als es mit Corona losging. Und auch, als wir nach einem Jahr bangen Wartens die ersten Impfstoffe in Oberarme versenkt sahen. Wenn soundsoviel Prozent der Menschen eine Immunität aufweisen, dann findet das Virus nicht mehr ausreichend Wirte und Zwischenwirte. Es kann dann nicht mehr die für Sars-CoV-2 bislang typischen dynamischen Wachstumsperioden durchlaufen.

Herdenimmunität, das heißt: Die Stärke der vielen in der Herde schützt die Geschwächten. Das sind alterskranke Tiere, solche mit gestörtem Immunsystem, angeborenen oder erworbenen Erkrankungen. Also diejenigen, die mit einem gewissen Abstand hinter der wegrennenden Herde hinterhertrotten. Erst durch die Isolation vom Rest der Gemeinschaft geraten sie in Gefahr, von den Wölfen gerissen zu werden.

Jeja nervt
Jeja Klein ist eine dieser Gender-Personen aus dem Internet und nörgelt einmal die Woche an Kultur und Politik herum.

Im Tierreich liegt das Gefressenwerden also nicht unbedingt daran, dass der individuelle Wolf, die Raubkatze, so viel stärker ist als das einzelne, geschwächte Beutetier. Es liegt zumeist daran, dass die Herde sich nicht mehr zusammentut, um den Angriff abzuwehren. Die Strategie des Räubers zielt auf Isolation der Geschwächten. Die erreicht er, indem er die Mehrheit in Panik versetzt - sie also davon abhält, den Schwachen zur Seite zu stehen.

Mit der neuen Mutante, hören wir nun, sei die Herdenimmunität aufgrund der hohen Verbreitungsgeschwindigkeit, der Omikron-Basisreproduktionszahl, angeblich in Reichweite. Plötzlich gilt als Common Sense, was am Anfang der Pandemie noch als sozialchauvinistischer Minderheitenstandpunkt galt: In soundsovielen Wochen würden sich ausnahmslos alle Menschen in Europa infizieren, und dann sei Ruhe im Karton.

Die Wissenschaft hatte also festgestellt, festgestellt, festgestellt ... Nur dass im entsprechenden Kinderlied allen Beteiligten klar ist, dass das eimerweise Saufen von Cola eher einem unreifen Wunschdenken entspringt. Und dennoch: Mit der apokalyptischen Ankündigung einer naturgesetzlich unaufhaltbaren Durchseuchung hat sich bei vielen Menschen nach zwei Jahren so etwas wie fatalistische Erleichterung eingestellt. Es ist wie bei Kindern prügelnder Eltern: Irgendwann fangen sie an, den nächsten Wutausbruch selber zu provozieren. So erleben sie wenigstens, wenn schon nicht über ihre körperliche und seelische Integrität, so doch über den Zeitpunkt der nächsten Schläge, ein subjektives Maß an Kontrolle. Das kindliche Stresssystem, die ständig heulende Alarmanlage, kann dann abschalten. Der psychische Preis dieser Überlebensstrategie aber ist gewaltig. Er verlangt nach lebenslanger erdrückender Ratenzahlung.

Liebe Leser*innen: Sie sind keine Kinder mehr. Also lassen Sie sich gefälligst weder wie solche behandeln, noch geben Sie der Sehnsucht nach, selbst darum zu bitten, sich der Bürde Ihrer Verantwortung entledigen zu dürfen.

Denn anders als Kinder oder Tiere können wir uns als erwachsene Menschen entscheiden. Zwischen Reiz und Reaktion liegt das Vermögen der Willensfreiheit. Wir können der Gefahr entgegentreten, obwohl wir Angst haben, uns vielleicht so richtig in die Hosen zu machen. Wir können ins brennende Haus laufen und jene herausholen, die nicht mehr laufen können. Wir können diejenigen, für die die angekündigte, angeblich unvermeidbare Infektion faktisch eine von oben durchgewunkene Todesdrohung darstellt, mit geeinten Kräften vor dem Wolf beschützen. Nein, wir müssen sogar.

Denn Herdenimmunität lässt sich nicht nur als Spiegel unserer Antigene im Blut und in den Schleimhäuten interpretieren. In die mathematische Gleichung, die Herdenimmunität ausdrückt, kann auch unsere Bereitschaft eingehen, die effektive Reproduktionszahl durch Verhalten zu senken. Zum Beispiel, indem wir auf an Omikron angepasste Impfstoffe warten und auf eine globale Verfügbarkeit der endlich in Verteilung befindlichen lebensrettenden Covid-Medikamente. Und dadurch, dass wir mit einer Niedrig-Inzidenz-Strategie verhindern, dass dasselbe Spiel mit den nächsten Mutationen wieder von vorn losgeht.

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