Auf Abstand zur Atomenergie

Brandenburg will die Energiewende und die 1000-Meter-Regel für Windräder

1000 Meter Abstand von Windrädern zu Wohnhäusern seien zu wenig, findet Werner Roos. Schlafstörungen von Anwohnern seien noch in vier bis fünf Kilometern Entfernung nachzuweisen, so der Professor. Das Zehnfache der Höhe des Windrads nennt er als vorstellbaren Abstand. 220 Meter hoch sind modernste Windräder. Diese müssten zum nächsten Wohnhaus 2,2 Kilometer Abstand haben. Roos spricht am Donnertag im Infrastrukturausschuss des Potsdamer Landtags. Die Freien Wähler hatten ihn als Experten zur Anhörung eingeladen. Fachleute und solche, die dafür gehalten werden, äußern sich zu einem Gesetz, mit dem das Land Brandenburg die Mindestabstände regeln will.

»Vor zehn Jahren hätte man über einen solchen Gesetzentwurf gejubelt«, sagt Claudia Henze. Doch im Moment sei die 1000-Meter-Regel ja schon in den verschiedenen Regionalplänen enthalten, das Gesetz im Grunde nicht mehr notwendig. Henze weiß, wovon sie spricht. Sie leitet die Regionale Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim. Es sind jeweils mehrere Landkreise in solchen Planungsgemeinschaften vereint, und diese entscheiden auch über die Gebiete, in denen Windräder errichtet werden dürfen.

In den vergangenen Jahren seien keine Anlagen mit weniger als 1000 Metern Abstand zu Wohnhäusern mehr gebaut worden, ergänzt Lutz Klauber von der Regionalen Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming.

Damit hat sich das Thema aber nicht erledigt. Nicht nur bestehende Wohnhäuser sollten berücksichtigt werden, sondern auch ausgewiesene Baugrundstücke, findet Johannes Wagner vom Landkreistag. Die 1000 Meter sollten nach seiner Meinung nirgendwo unterschritten werden. Der Gesetzentwurf eröffne allerdings ein Einfallstor für die Spanne zwischen 500 und 1000 Metern. Unter 500 Meter zu gehen, sei wegen der Lärmbelästigung gesetzlich ausgeschlossen.

»Natürlich kann man sagen, 1000 Meter sind zu wenig - so hoch wie die Windräder sind«, bestätigt Jens Graf vom Städte- und Gemeindebund. Aber: »Ja zu 1000 Metern war schon ein erheblicher Fortschritt.« Graf kennt die Furcht, dass wegen Abstandsregeln gar keine Windräder mehr gebaut werden dürften. »Da möchte ich energisch widersprechen«, sagt er.

Bereits jetzt wird in Brandenburg pro Kopf der Bevölkerung mehr erneuerbare Energie erzeugt als in jedem anderen Bundesland. Was für die Energiewende noch gebraucht wird und welches Potenzial Brandenburg hat, rechnet Kathrin Goldammer vom Reiner-Lemoine-Institut vor. Zwei Prozent der Landesfläche müssten für Windräder reserviert werden. Bei einem Mindestabstand von 1000 Metern würden noch 5,5 Prozent der Fläche Brandenburgs dafür zur Verfügung stehen. Etwa 1,2 Prozent werden bereits genutzt. Fazit Goldammer: An der 1000-Meter-Regel würde die Energiewende nicht scheitern, wenn die bestehenden Möglichkeiten optimal ausgenutzt werden.

Zu Gast ist auch Stephan Stallmann von der niedersächsischen Bürgerinitiative »Keine Windkraft im Emmerthal«. Ihn fragt die Landtagsabgeordnete Anke Schwarzenberg (Linke): »Sie lehnen Windkraft ab. Wie stellen Sie sich vor, dass wir den Klimaschutz erreichen?« Stallmann bleibt die Antwort nicht schuldig. Der Rest Europas sei schlauer als Deutschland, sagt er mit Blick auf die in der Bundesrepublik geplante Abschaltung der letzten noch aktiven Atomkraftwerke. Auch an die Adresse der Abgeordneten Ricarda Budke (Grüne) gerichtet, schimpft Stallmann, das Thema Atommüll sei von den Grünen hochgespielt, die Diskussion um Endlager für den Atommüll sei eine Scheindebatte.

Das klingt wie aus der Argumentenkiste der AfD - von der AfD war Stallmann auch zur Anhörung eingeladen worden. Doch zu Atomkraftwerken möchte der AfD-Abgeordnete Lars Hünich am Donnerstag gar nichts weiter sagen. Er betont, dass Windkraftanlagen gebaut werden sollen, die in der Bevölkerung nicht akzeptiert seien. Das sieht Jens Graf vom Städte- und Gemeindebund anders: »Die Bereitschaft, am Klimaschutz mitzuwirken, wird in der Gesellschaft immer größer.«

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