Furchtlose Journalistin

Marina Owsjannikowa protestiert im russischen Staatsfernsehen gegen den Ukraine-Krieg

  • Birger Schütz
  • Lesedauer: 2 Min.

Marina Owsjannikowas Auftritt währte nur wenige Sekunden. Während der live übertragenen Nachrichtensendung »Wremja« im Staatsfernsehen platzte die russische Journalistin plötzlich in die Verlesung einer Meldung über die Abmilderung westlicher Sanktionen und schwenkte ein Plakat. »Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht« stand auf dem selbst gemachten Transparent. »Nein zum Krieg, nein zum Krieg, nein zum Krieg!«, rief Owsjannikowa vor Millionen Zuschauern, bis die Regie eilig einen Beitrag aus einem Krankenhaus einblendete.

Owsjannikowas mutiger Auftritt verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Russlands sozialen Medien. Vor allem Oppositionelle und Kriegsgegner lobten ihren Protest. Auch Häme gegenüber Wremja-Moderatorin Jekaterina Andrejewa, welche seit 24 Jahren die Nachrichten im Staatsfernsehen verliest und sich bisher jeder neuen Kremllinie flexibel anpasste, wurde laut. Owsannikowas Aktion sei die bisher einzige relevante Nachricht Andrejewas Sendung.

Ihren Protest begründete Owsannikowa in einer zuvor aufgezeichneten Videobotschaft. »Was jetzt in der Ukraine geschieht, ist ein Verbrechen«, empört sich die Tochter eines ukrainischen Vaters und einer russischen Mutter. »Wir haben 2014 geschwiegen, als alles begann. Wir sind nicht zu Kundgebungen gegangen, als der Kreml Nawalny vergiftete. Wir haben nur schweigend zugesehen«, so die 1978 in der ukrainischen Hafenstadt Odessa geborene Fernsehjournalistin, die seit mehreren Jahren als Redakteurin für die Auslandsredaktion des Ersten Kanals arbeitet. Dafür schäme sie sich nun.

Nach ihrem Protest wurde Owsjannikowa festgenommen und verschwand zunächst für mehr als zehn Stunden. Kontakt zu ihrem Anwalt wurde ihr verwehrt. Dann meldeten staatliche Nachrichtenagenturen, die Behörden ermittelten wegen des Verdachts der Verbreitung von Fake-Nachrichten gegen Owsjannikowa. Dafür drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft. Ein Gericht verurteilte sie am Dienstag vorerst zu einer Geldstrafe von umgerechnet 250 Euro

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