Marode Infrastruktur

Deutsche Bahn macht mehr Umsatz, es gibt weniger Schienenkilometer und mehr Verspätungen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 4 Min.

Verspätete Züge, marode Infrastruktur, fehlende Anbindungen, ein chaotisches Preissystem – Bahn-Nutzer haben es in Deutschland wahrlich nicht immer leicht. Dennoch wird die bundeseigene Deutsche Bahn AG (DB) nicht müde, Jahr für Jahr in ihrer Bilanzpressekonferenz zu betonen, dass man auf einem guten Weg zu einem modernen, leistungsfähigen Mobilitätsunternehmen sei. So auch an diesem Donnerstag.

Laut dem aktuellen Geschäftsbericht stieg der Konzernumsatz 2021 gegenüber dem Vorjahr um 18,4 Prozent auf 47,3 Milliarden, die Bilanz weist aber pandemiebedingt einen operativen Verlust von 1,6 Milliarden Euro auf. Dieser wäre allerdings ohne die milliardenschweren Corona-Hilfen des Bundes wesentlich höher ausgefallen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Für das laufende Geschäftsjahr erwartet der Vorstand ein positives Ergebnis, welches unter anderem durch ein Sparpaket erreicht werden soll, das eine Senkung der Personalkosten und Sachkosten um eine Milliarde Euro beinhaltet. Der Schuldenstand des Konzerns belief sich zum 31.12.2021 auf rund 35 Milliarden Euro. Die DB will daran festhalten, bis 2029 insgesamt 29 Milliarden Euro zu investieren, die nur zum Teil durch Bundesmittel finanziert werden. Dazu beitragen soll der Verkauf der internationalen Logistik-Tochter Arriva, der bis 2024 über die Bühne gehen soll.

»Die Bahn wird gebraucht, mehr denn je«, betonte der DB-Vorstandsvorsitzende Richard Lutz bei der Präsentation. Auch für die Erreichung der Klimaziele spiele der Schienenverkehr eine zentrale Rolle. Lutz lobte vor allem das in Teilen des Fernverkehrs verbesserte Verkehrsangebot und die hohen Investitionen in die Infrastruktur und den Fuhrpark. Doch der Investitionsstau ist besonders beim Ausbau und der Instandsetzung der Schieneninfrastruktur nach wie gigantisch. »Wir müssen mehr bauen, um die Kapazitäten zu erhöhen und die Qualität zu verbessern« so Lutz. Zweifellos, wie unter anderem die erneut schlechtere Pünktlichkeitsrate zeigt. Nur 75,2 Prozent der Fernverkehrszüge erreichten 2021 pünktlich ihr Ziel. 2020 waren es 81,8 Prozent. Vom Vorstand angeführte, zeitlich begrenzte »Sonderereignisse« wie die Flutkatastrophe und Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) taugen da kaum zur Erklärung.

Eher schmallippig äußerte sich Lutz zu den im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verankerten Plänen, die Infrastruktureinheiten (DB Netz, DB Station und Service) zu einer neuen, gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte zusammenzulegen. Die Gewinne dieser Sparte sollen künftig zu 100 Prozent bei dieser verbleiben und nicht mehr in den Finanzkreislauf des Gesamtkonzerns eingespeist werden. Zur Umsetzung dieser Pläne befinde man sich in »konstruktiven Gesprächen«.

Bereits am Mittwoch wurde in Berlin der traditionelle »alternative Geschäftsbericht« zur DB vorgestellt. Dahinter stehen diverse Verkehrsexperten und Initiativen. Die Federführung hatte die Gruppe »Bürgerbahn statt Börsenbahn«, zu der auch der Verkehrswissenschaftler und frühere Linken-Bundestagsabgeordnete Winfried Wolf gehört.

Bei der Vorstellung stellte Wolf der Geschäfts- und Verkehrspolitik des Konzerns ein vernichtendes Zeugnis aus. Zwar gebe es für die »tiefroten Zahlen« in der aktuellen Bilanz und die in einigen Sparten – besonders im Regionalverkehr – zu verzeichnenden Rückgänge bei der Beförderungsleistung auch krisenbedingte Ursachen. Aber letztendlich gehe es um seit vielen Jahren bekannte strukturelle Probleme – und die Unfähigkeit des DB-Managements und der Verkehrspolitik, diese endlich anzugehen. Ohne eine völlig neu aufgestellte Unternehmenspolitik sei das 2019 formulierte Ziel einer Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 »völlig illusorisch«, so Wolf.

Auch dem Mantra von einem Ausbau der Schiene folgten in der Tendenz keine Taten. Im Gegenteil: Der Abbau bei der Infrastruktur setze sich fort, kritisierte der Verkehrsexperte. Die Betriebslänge des Schienennetzes wurde 2021 gegenüber dem Vorjahr nochmals gekappt, um 111 Kilometer Netz. Seit der Bahnreform 1991 schrumpfte das Netz um insgesamt 19,1 Prozent. Statt tatsächlich das seit Jahren versprochene integrierte Verkehrssystem (»Deutschlandtakt«) ernsthaft in Angriff zu nehmen, setze der Konzern nach wie vor auf vermeintlich prestigeträchtige Einzelprojekte, die »klimafeindlich und unnötig teuer« seien.

In dem Bericht wird das anhand der Tunnel- und Bahnhofsprojekte in Stuttgart, Hamburg-Altona, Frankfurt am Main und Rosenheim genauer dargelegt. »Es bleibt dabei: Der Konzern DB AG schützt nicht, wie in der Verfassung verlangt, die Infrastruktur. Er zerstört sie«, so Wolfs Resümee.

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