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UN-Konferenz in Genf: Unverbindlich gegen die Schuldenkrise

UN-Konferenz in Genf verweist auf ungelöste Finanzierungsfragen für den globalen Süden

Für die Energiewende wie hier in Kenia braucht es viele Milliarden in naher Zukunft.
Für die Energiewende wie hier in Kenia braucht es viele Milliarden in naher Zukunft.

Am Mittwoch eröffnet António Guterres während der laufenden UN-Handels- und Entwicklungskonferenz (Unctad) in Genf das neue »Sevilla-Forum für Schuldenfragen«. Es soll die »tief verwurzelte Schuldenkrise« in Entwicklungsländern durchbrechen und ihnen bei der Umschuldung helfen, betonte der UN-Generalsekretär vorab. Die Mitgliedstaaten hatten die Gründung im Sommer bei einem Treffen zu Finanzfragen in Sevilla beschlossen.

»Wenn wir weitermachen wie bisher, werden Schuldenlasten fortbestehen, wird die digitale Kluft zu breit und der Klimawandel zu kostspielig«, warnte Unctad-Generalsekretärin Rebeca Grynspan am Montag bei der Eröffnung der Konferenz im Völkerbundpalast. Der Zusammenschluss entstand 1964. Seine Aufgabe ist es, Entwicklungsländer dabei zu unterstützen, Handel, Finanzen und Investitionen für ein nachhaltiges Wachstum zu nutzen.

Bei der viertägigen Unctad-Konferenz mit über 160 Minister*innen aus aller Welt geht es um geo- und handelspolitische Schocks, die schwerwiegende Auswirkungen auf Schwellen- und Entwicklungsländer haben, aber auch um die Schuldenkrise. Die globale Kreditlast wachse alarmierend, heißt es in Genf. Den Entwicklungsländern fehlt immer mehr Geld, um die UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Der Fehlbetrag wuchs laut Unctad-Berechnungen in den vergangenen zehn Jahren von 2,5 Billionen auf derzeit rund vier Billionen US-Dollar. Statt zu investieren, müssen die Länder einen Großteil ihrer knappen Mittel verwenden, um Zinsen und Kredite zu bedienen.

Allein 2024 zahlten Schuldnerländer eine Rekordsumme von 921 Milliarden US-Dollar an Zinsen. Mehr als die Hälfte der Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen ist »hoch oder sehr hoch durch den Schuldendienst an ausländische Gläubiger belastet«. 47 dieser Länder gelten als »sehr hoch belastet«, wie aus dem aktuellen Schuldenreport der Kampagne Erlassjahr.de hervorgeht.

»Unsere Länder dürfen nicht gezwungen werden, sich zwischen Schuldendienst und der Zukunft unserer Bevölkerung zu entscheiden.«

José Ramos-Horta Präsident von Osttimor

Die Kreditlast verletzt demnach grundlegende Menschenrechte wie das Recht auf Bildung und Gesundheit. Laut Unctad-Chefin Grynspan leben derzeit 3,4 Milliarden Menschen in Ländern, die »mehr für Zinsen ausgeben müssen, als sie in Gesundheit und Bildung investieren können«. Man müsse dringend einen Konsens finden, um Geld dorthin zu lenken, wo es am nötigsten ist, betonte sie.

Um etwa den Energiebedarf in Afrika zu decken, werden von 2026 bis 2030 laut Unctad jährlich mindestens 190 Milliarden US-Dollar benötigt. Entwicklungsländer müssten zudem weltweit Milliarden in digitale Technologien und Infrastruktur investieren, um am Wachstum teilzuhaben. Aufgrund zunehmender handels- und geopolitischer Konflikte sind Auslandsdirektinvestionen rückläufig, und es wird teurer für Unternehmen in Schwellen- und Entwicklungsländern, an Kapital zu gelangen.

Das neugegründete Forum stellt zwar einen Fortschritt dar, weil Schuldnerländer damit eine gemeinsame Plattform bekommen. Doch ein Durchbruch, wie Guterres ihn bezeichnete, dürfte es laut Kritiker*innen nicht sein. Die bisherigen Schritte lösten nämlich die fundamentale Schuldenkrise nicht. So wurde mit der Gründung des Schuldenforums die Hoffnung auf ein geregeltes Staateninsolvenzverfahren enttäuscht. Unctad hatte schon vor Jahren eine globale Schuldenbehörde vorgeschlagen; stattdessen entsteht lediglich eine UN-Dialoggruppe.

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Gegen eine verbindliche Lösung stemmen sich vor allem private Gläubiger wie Banken und Investmentfonds. Und der Pariser Club, in dem unter anderem Deutschland, die USA und Japan Mitglied sind, bevorzugt den bestehenden G20-Rahmen. Das bekräftigte der informelle Zusammenschluss bei einem Treffen mit privaten Gläubigern im September. Die westlichen Länder wollen so verhindern, dass erlassenes Geld in die Rückzahlung chinesischer Kredite fließt.

Die Volksrepublik ist nämlich mittlerweile der weltweit größte öffentliche Kreditgeber. China setzt auf geheime bilaterale Abkommen und steht den Forderungen des Pariser Clubs kritisch gegenüber. Präsident Xi Jinping sagte Entwicklungsländern im September neue Finanzmittel über umgerechnet rund 50 Milliarden US-Dollar für die nächsten drei Jahre zu.

Ein Bündnis aus über 160 zivilgesellschaftlichen Organisationen forderte im Oktober eine »radikale Reform« mit einem umfassenden und schnellen Schuldenerlass. Zudem müsse man Kreditrückzahlungen für alle Länder in Umschuldung aussetzen und ein globales Transparenzregister für Kredite schaffen.

Viel Zeit bleibt für diese Forderungen nicht. José Ramos-Horta, Präsident von Osttimor, mahnte per Videobotschaft am Montag in Genf: »Unsere Länder dürfen nicht gezwungen werden, sich zwischen Schuldendienst und der Zukunft unserer Bevölkerung zu entscheiden.«

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