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Schöne neue Welt

Strukturkonzept für die Flughafenregion soll alte Fehler vermeiden

  • Patrick Volknant
  • Lesedauer: 4 Min.

»Dieser Raum, über den wir hier reden, ist der am stärksten wachsende Raum in der Hauptstadtregion«, sagt Matthias von Popowski am vergangenen Donnerstag. Was der Geschäftsführende Gesellschafter des Unternehmens Complan in Schönefeld vorstellt, soll der Region um den neuen Flughafen den Weg in die Zukunft weisen. Mit dem Gemeinsamen Strukturkonzept (GSK) wollen sich Gemeinden und Städte gemeinsam mit der Berliner Flughafengesellschaft (FBB) auf zunehmende Verkehrsströme und steigenden Zuzug vorbereiten. Gemeinsam nennen sie sich Dialogforum Airport Berlin Brandenburg.

Zentrale Ziele, die das Strukturkonzept vorsieht, sind etwa der Ausbau des Radwege- und Straßennetzes in der Flughafenregion, die Verlängerung der U7 bis zum Airport BER sowie die Realisierung von Gewerbegebieten, Technologieparks und Wohnungsbauprojekten. Auch die Brandenburger Wälder sollen im Zuge der Maßnahmen umgebaut und klimaresistenter gemacht werden.

Ein erster Entwurf für das Konzept wurde bereits 2006 erarbeitet. »Es hatte damals einen ganz großen Makel«, sagt Matthias von Popowski. »Es war nicht verbindlich genug.« Weil das Projekt damals nicht über die informelle Ebene hinausgekommen sei, habe man sich 2014 dazu entschieden, das Konzept noch einmal neu zu schreiben. Den Fehler von 2006 wolle man nicht wiederholen, so Popowski: »Dazu gehört auch eine intensivere Diskussion in der Öffentlichkeit, aber vor allem auch eine enge Kommunikation in den kommunalen Gremien.«

Andreas Igel (SPD), Bürgermeister der Stadt Ludwigsfelde, stellt sich am Donnerstag hinter das Strukturkonzept. »Ich bin überzeugt davon, dass unsere Aufgaben sehr komplex sind«, sagt er. Für seine Beteiligung am Dialogforum sei ihm im Vorfeld teilweise Unverständnis entgegengeschlagen. Igel entgegnet jedoch: »Wir müssen für unsere Interessen gemeinsam streiten. Das können wir so besser als jeder für sich alleine.«

Für den Standort Ludwigsfelde strebt der Bürgermeister an, wissenschaftliches Know-How mit der Ansiedlung qualifizierter Wirtschaftsunternehmen zu verknüpfen. »Wir wollen nicht die Flächen mit Billiglöhnern zupflastern«, sagt Igel. Stattdessen solle es um gut bezahlte Arbeitsplätze gehen, die den Menschen eine Zukunftsperspektive böten.
Zuspruch erhält der Strukturplan auch aus Königs Wusterhausen. »Wir haben uns von Anfang an rege beteiligt am Forum und versucht, die Chancen zu sehen«, sagt die parteilose Bürgermeisterin Michaela Wiezorek. Den Wandel, der der knapp 39 000 Einwohner zählenden Stadt aufgrund der Nähe zum neuen Flughafens bevorstehe, sei weitreichend. »In zehn Jahren werden in der Region über 100 000 Menschen leben«, sagt Wiezorek. »Dass es kommen wird, ist gesetzt.«

Dementsprechend unabdingbar sei der Austausch auf Ebene des Dialogforums, der eine Möglichkeit biete, sich auf die Zukunft vorzubereiten. Zu möglichen Differenzen zwischen den einzelnen Kommunen sagt Wiezorek: »Ich kann von meiner Gegenseite nur etwas erwarten, das ich auch selbst bereit bin zu geben.« Allein Defizite zu benennen, helfe der Flughafenregion auf langfristige Sicht nicht weiter. »Es hängt von den handelnden Personen ab und davon, was sie aus ihren Instrumenten machen.«

Die volle Unterstützung aller Gemeinden in der Flughafenregion gibt es für das Konzept allerdings nicht. Auf einer Sitzung der Gemeindevertretung in Zeuthen hatte Matthias von Popowski zwei Tage zuvor erfolglos um Zustimmung geworben. Etliche Mitglieder des Gemeinderates kritisierten, dass verkehrspolitische Interessen des Ortes im vorgelegten Konzept vernachlässigt würden.

»Ich muss sagen, da steht weniger drin als noch 2016«, begründete etwa Jonas Reif, Fraktionsmitglied der Grünen in Zeuthen, sein Nein. Fortschritte aus den vergangenen Jahren seien weniger auf Ergebnisse des Dialogforums als vielmehr auf Initiativen einzelner Bürgerinnen und Bürger zurückzuführen. Hoffnungen auf eine schnelle Anpassung des Konzeptes relativierte Matthias von Popowski unmittelbar nach der Abstimmung: »Ich kann ihnen keine Überarbeitung innerhalb des nächsten halben Jahres versprechen.«

Kritische Töne kommen zudem vom Bürgerverein Brandenburg-Berlin. Dessen Vorsitzende, Christine Dorn, zeigt sich gegenüber »nd« enttäuscht: »Das Papier fällt durch die vollständige Abwesenheit der Auseinandersetzung mit dem Fluglärm auf.« Im Strukturkonzept finde sich lediglich ein Bekenntnis dazu, Lärmschutzmaßnahmen zu prüfen. Immerhin eine Anerkennung der Problematik wäre nötig gewesen, um bei betroffenen Bürgerinnen und Bürgern für Hoffnung zu sorgen.

Hinzu komme, dass trotz wichtiger Klimaschutzziele nach wie vor auf Wachstum des Luftverkehrs und Ultrabilligflieger gesetzt werde. Das vorgelegte GSK-Papier passe letztlich gut zum BER selbst: »Schlechtes muss nicht immer billig sein.«

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