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Sri Lanka: Tamilen vor deutschem Gericht

Prozessauftakt wegen Spendensammlungen für die tamilische Unabhängigkeitsbewegung

  • Vina Thiru
  • Lesedauer: 4 Min.
Tamilen demonstrieren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf
Tamilen demonstrieren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf

Vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf begann am Mittwoch der erste von sechs Prozesstagen gegen ehemalige Mitglieder des Tamil Coordination Commitee (TCC). 13 Jahre nachdem die sri-lankische Armee die tamilischen Befreiungstiger der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) besiegt hat, wird vier Männern für den Zeitraum 2007 bis 2009 insbesondere das Sammeln von Spenden vorgeworfen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Laut Anklageschrift sei ihnen bewusst gewesen, dass diese Summen von jeweils insgesamt 33 000 bis 775 000 Euro zu Teilen den «kriegerischen Auseinandersetzungen» der LTTE zugutekamen, deren Aktivitäten die Staatsanwaltschaft als «terroristische Unternehmungen» einstuft. 2009, in den letzten Monaten dieses Bürgerkrieges kamen rund 60 000 bis 70 000 Tamilen im Norden der Insel ums Leben. Viele wurden in den vom staatlichen Militär bombardierten Waffenstillstandszonen getötet, die vorher von der Regierung selbst ernannt worden waren. Der Vorwurf des Völkermords steht im Raum.
Die im Gerichtssaal anwesenden Personen hören gebannt zu, als die Rechtsanwältin aus der Erklärungsrede ihres Mandaten Pathmanathan T. vorträgt: «Tag für Tag konnten wir diese Gräueltaten auf Videos sehen und mitverfolgen, die aus dem Vanni gesendet wurden. Aber nur wir schienen sie zu sehen, denn niemand auf der Welt schien sich dafür zu interessieren, obwohl es weltweit große Demonstrationen dagegen gab.» Er berichtet aus einer schmerzhaften Erfahrungswelt, die viele in der Diaspora lebende Tamil*innen teilen.

Kurz vorher noch hatte Pathmanathan T., alias Nathan Thambi, seine Verteidigungsrede selbst gesprochen. Zunächst erzählte er von seiner familiären und beruflichen Situation und kam dann zum Tatvorwurf: «Es ist wahr, dass ich Geldspenden für die Selbstverteidigung des tamilischen Volkes gesammelt habe.» Als er auszuführen versucht, dass es ihm um den Schutz, die Freiheit und den Frieden seiner Familie und seines Volkes gegangen sei, hält er plötzlich inne. Ihm versagt die Stimme, entschuldigend bittet er seine Verteidigerin weiter vorzulesen.

Zuvor wurden allen vier Personen, im Falle eines Geständnisses und abhängig von der Höhe der Summe ihrer Spendensammlungen, Bewährungsstrafen von 6 bis 24 Monaten in Aussicht gestellt. Ihre Entscheidungen fallen unterschiedlich aus: Zwei möchten dies wahrnehmen und gestehen – die anderen beiden lehnen die Angebote ab. Nathan Thambi, dem dann sogar nur eine Geldstrafe gedroht hätte, gehört zu Letzteren.
Die zwei ehemaligen TCC-Mitglieder, die das Verständigungsangebot annehmen, machen Angaben zu ihrer Person und erklären in ihrem Geständnis die Hintergründe. Sie erzählen von der Unterdrückung und Gewalt gegen Tamil*innen auf Sri Lanka, die sie selbst erlebten. Sie berichten sowohl von ihrer Flucht nach Deutschland und damit einhergehenden Schwierigkeiten als auch davon, wie sie während des Friedensprozesses ab 2002 in die Heimat reisten und positive Entwicklungen und Visionen beobachteten. Aber diese Hoffnungen seien während der letzten Kriegsjahre mehr und mehr in Trauer und Verzweiflung umgeschlagen. Beide erkennen an, dass sie, eingebettet in diesen Kontext, gegen deutsche Gesetze verstoßen haben, und beantworten schließlich noch Fragen der Richter*innen.

Elayathambi A. hingegen sieht in seinen Tätigkeiten keine kriminellen Handlungen und führt in seiner Erklärungsrede zu den Wurzeln seiner politischen Aktivitäten aus: «Wie für die meisten Tamilen der Diaspora war auch für mich der Gedanke unerträglich, in Sicherheit zu sein und untätig zuzusehen, wie mein Volk, das ich zurückgelassen hatte, in der Heimat um sein Überleben kämpfte.»

Nathan Thambi führt gar aus, dass er vielmehr das 2006 erlassene Verbot der LTTE in der EU kritisiere, statt ein Verbrechen anzuerkennen.« Diese Frage der Kriminalisierung ist nicht nur für die Eelam-Tamilen wichtig, sondern für alle unterdrückten Gruppen auf der ganzen Welt. Nach dem Vortrag aller vier Erklärungen wird abschließend ohne weiteren Kommentar der richterlichen Seite die erste Sitzung nach einem langen Tag gegen 16.30 Uhr beendet.
Fünf weitere Gerichtstermine sind in den nächsten Wochen angesetzt, ebenfalls in dem abseits gelegenen Hochsicherheitstrakt des OLG Düsseldorf. Am letzten Prozesstag am 10. Juni werden schließlich die Urteile über die vier ehemaligen TCC-Aktivisten verkündet.

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