Ein offener Brief an den ukrainischen Botschafter

Auf die Äußerungen des ukrainischen Botschafters in Berlin reagiert Ramon Schack mit einer Replik in Form eines offenen Briefes, in dem er Andrij Melnyk dazu auffordert, zur Diplomatie zurückzukehren

  • Ramon Schack
  • Lesedauer: 3 Min.

Sehr geehrter Herr Botschafter Melnyk,

am vergangenen Sonnabend haben Sie mit folgenden Worten der deutschen Presse für deren Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine gedankt. »Liebe deutsche Journalistinnen und Journalisten, herzlichen Dank für Ihre unermüdliche Arbeit! Nur mit Ihrer Hilfe & Unterstützung kann die Ukraine diesen Krieg gewinnen.« Gestatten Sie bitte daher, dass ich Ihnen als Bürger der Bundesrepublik und als Angehöriger dieses Berufsstandes darauf antworte, wohl wissend, dass ich nicht zu den Kolleginnen und Kollegen gehöre, denen Sie mit Ihren Worten zu schmeicheln gedachten.

Die Aufgabe von Journalisten ist es nicht, Kriege zu gewinnen, wie Sie es in Ihrer Lobhudelei anzudeuten pflegen. Guter Journalismus zeichnet sich durch genaues Hinschauen, durch Grautöne und eben nicht durch Schwarz-Weiß-Bilder aus. Sicherlich, der Gesinnungsjournalismus ist zu einem Machtinstrument geworden. Sie, sehr geehrter Herr Botschafter, schreiben von Journalismus, meinen aber Propaganda, genauer ausgedrückt Kriegspropaganda.

Kriegspropaganda ist eine stete Begleiterscheinung von militärischen Konflikten. Diese muss man dabei als eine Art Waffe begreifen, als Bestandteil der politisch-militärischen Strategie jeder beteiligten Seite. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass Sie die zehn Prinzipien der Kriegspropaganda verinnerlicht haben, welche der englische Diplomat Baron Arthur Ponsony einst erstellt hatte. Von Kriegspropaganda verstehen Sie mehr als vom Journalismus, auch mehr als von der Diplomatie, ihrem Metier – erstaunlicherweise.

Sicher habe ich Verständnis für eine Regierung und ihr diplomatisches Personal, wenn in Zeiten eines Verteidigungskrieges nicht immer die Klaviatur der diplomatischen Gepflogenheiten erklingt. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass ein Botschafter versucht, die außen- und innenpolitischen Gegebenheiten des Gastlandes zu beeinflussen, so wie Sie es versuchen – nicht ohne Erfolg.

Dies wird zum Beispiel daran deutlich, dass mit Beginn des Krieges in der Ukraine bestimmte Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg, die in der Bundesrepublik als Staatsräson galten, quasi über Bord geworfen und entsorgt werden. Ihre betrübliche Bewunderung für Stephan Bandera, dessen Anhänger in Ihrer Geburtsstadt Lwiw 1941 – und nicht nur dort und dann – die schlimmsten Massaker an der jüdischen, später der polnischen Bevölkerung anrichteten, ist sicher das düsterste Beispiel. Selbst jene Medien, die sich ansonsten gegen »jeden Antisemitismus« positionieren, lassen Ihnen das durchgehen. In der Bevölkerung der Bundesrepublik kommt dieses aber immer weniger an.

Sehr geehrter Herr Botschafter, Sie drängen ja quasi darauf, dass Berlin Ihre historische Perspektive zu übernehmen hat. Geben Sie sich diesbezüglich keiner Illusionen hin, es wird Ihnen nicht gelingen, einen Antisemiten und Hitler-Bewunderer der deutschen Öffentlichkeit als ukrainischen Freiheitskämpfer zu verkaufen. Dieses steht Ihnen auch nicht zu.

Es wäre auch eine Beleidigung für Ihr Land und dessen Bewohner, die sich zur Stunde nicht an irgendwelchen Buffets aufhalten oder in Ledersesseln an den Kampfgeist appellieren, sondern Opfer eines Angriffskrieges sind, dabei vielleicht aber nicht auf einen endlosen Krieg setzen, sondern insgeheim auf eine diplomatische Lösung, was eigentlich ihre Aufgabe wäre, werter Herr Botschafter. Ebenso wenig haben Sie der hiesigen Öffentlichkeit mitzuteilen, wer in Deutschland als »Fremdkörper« zu gelten hat.

Am heutigen Tag der Pressefreiheit darf ich Sie auch daran erinnern, dass die Ukraine auch vor Ausbruch dieses Krieges nur Platz 97 auf der Rangliste der Pressefreiheit belegte. Schon vor dem Krieg wurde die Ukraine von ihren Eliten und der jeweiligen politischen Führung unter Wert verkauft und schlecht vertreten.

Ihre Amtszeit als Botschafter der Ukraine in der Bundesrepublik stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar. Sie vertreten die Ukraine schlecht und unter Wert.

Hochachtungsvoll, Ramon Schack

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal