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Es geht um Geschäfte

Das globale Wirtschaftszentrum verlagert sich mehr und mehr nach Asien

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Wirtschaftspolitisch versucht US-Präsident Joe Biden mit seiner Einladung der Asean-Staaten zum Sondergipfel eine Zeitenwende nach der Ära Donald Trump. Für die Regierung in Washington habe es nun wieder oberste Priorität, ein starker und zuverlässiger Geschäftspartner in Südostasien zu sein, so eine Sprecherin des Weißen Hauses. Dem Asean-Verband gehören zehn Länder an, die vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet zusammenarbeiten – darunter ökonomische Schwergewichte wie Indonesien und Singapur, Thailand und Vietnam.

Asien wird für die Weltwirtschaft immer wichtiger. Markant ist hier eine Analyse der größten deutschen Reederei, Hapag-Lloyd: Laut dieser entfielen im vergangenen Jahr rund zwei Drittel des Weltcontainerverkehrs auf den Handel mit »Fernost« sowie den innerasiatischen Handel. »Seit einiger Zeit ist erkennbar, dass sich das globale Wirtschaftszentrum mehr und mehr nach Asien verlagert, wobei China die wichtigste Rolle spielt«, schreiben Michael Frenkel und Tuyet Ngo in einer Analyse für den renommierten »Wirtschaftsdienst«. Beide forschen an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf.

Zusätzlichen Rückenwind soll Asien hauptsächlich das größte Freihandelsabkommen der Welt verschaffen. Im November 2020 wurde die »Regional Comprehensive Economic Partnership« (RCEP) von den Asean-Mitgliedsländern plus fünf asiatisch-pazifischen Ländern unterzeichnet. Dies sind neben Australien und Neuseeland auch China, Japan und Südkorea.

RCEP war aber eine Zeitgeisterscheinung. Die Verhandlungen zu dem Abkommen hatten offiziell bereits im November 2012 begonnen. Nach 31 Verhandlungsrunden und 18 Ministertreffen wurde das Abkommen 2020 während des 37. Asean-Gipfels fertiggestellt und unterzeichnet. Bis Ende 2022 soll das Abkommen ratifiziert sein und in Kraft treten.

Obwohl die Asean-Mitgliedsländer über die militärische Präsenz Chinas im Südchinesischen Meer besorgt sind, waren sie bereit, das RCEP-Abkommen zu unterzeichnen, weil sie sich davon eine Beschleunigung ihrer wirtschaftlichen Entwicklungen versprechen. Innerhalb von 20 Jahren sollen mindestens 90 Prozent der Zölle untereinander beseitigt werden. Besondere Bedeutung hat dies für die traditionell angespannten Verhältnisse China/Japan und Japan/Südkorea. Große Volkswirtschaften, die bislang keine größeren Handelsverträge miteinander verbanden.

»Der RCEP-Block deckt einen Markt von fast 2,3 Milliarden Menschen ab«, erläutert Volkswirt Frenkel, »und dient als gigantische Handelsplattform für Unternehmen, nicht nur innerhalb der Region, sondern auch von außerhalb.« Auf die Mitgliedsländer entfällt mittlerweile bereits ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung (BIP), wobei diese Zahl bis 2030 voraussichtlich 50 Prozent erreichen werde. Für etwa die Hälfte davon steht China.

Längst sehen sich viele asiatische Staaten nicht mehr nur als verlängerte Werkbank des Westens. Entsprechend wächst das Selbstbewusstsein. So vermeidet Asean eine Distanzierung zu Russland. In einer Stellungnahme schlugen sich verschiedene Faktoren nieder, wie die historisch engen Beziehungen vor allem Vietnams zu Russland, die Rolle Russlands als Rüstungs- und Energielieferant für die Region oder die Hoffnung, durch engere Beziehungen zu Russland die zunehmende Dominanz der chinesischen Wirtschaft in der Region ein Stück weit abzuschwächen. Zu dieser Einschätzung gelangt die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Einer Denkfabrik, die unter anderem die Bundesregierung berät.

Diese versucht wie die US-Regierung, wirtschaftlich stärker in Asien Fuß zu fassen. Zwar ist China seit einigen Jahren der wichtigste Handelspartner der bundesdeutschen Wirtschaft, aber Japan, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, liegt unter ferner liefen auf Rang 15.

Von seiner Japan-Reise Anfang Mai kam Kanzler Olaf Scholz allerdings ohne handfeste Handelsverträge zurück. Zudem besitzen die japanische Regierung und dortige Unternehmen weiterhin Anteile an Öl- und Gas-Projekten in Russland, darunter zwei auf der Insel Sachalin, aus denen sich Exxon Mobil und Shell zurückgezogen haben.

Zwiespältig bleibt das Verhältnis des Westens zu Indien. Premier Narendra Modi folgt seinem Konzept »wirtschaftlicher Eigenständigkeit«. Ähnlich wie China seit den 1990er Jahren versucht das bald bevölkerungsreichste Land der Erde, im Schutz von Zollgrenzen seine heimische Industrie zu entwickeln. 2019 zog sich Delhi aus RCEP zurück. Eine Beteiligung Indiens an dem Freihandelsprojekt hätte das chronische Handelsdefizit des Subkontinents gegenüber China weiter vergrößert.

US-Präsident Biden versprach den Asean-Staaten bereits im vergangenen Oktober eine engere Kooperation. Damals nahm er per Video-Konferenz an einer Sitzung der Organisation teil. Dahinter steht, dass trotz des Trumpschen Zollkonfliktes mit China die Volksrepublik als Handelspartner für die USA (19 Prozent aller Importe) noch bedeutender ist als für Deutschland (11,5 Prozent).

Mit dem US-Asean-Sondergipfel nimmt Biden den Faden, den sein Vor-Vorgänger Barack Obama gesponnen hatte, wieder richtig auf. Donald Trump hatte dagegen drei Jahre in Folge nicht an einem Asean-Gipfel teilgenommen. Während der Amtszeit des Republikaners verloren die USA wirtschaftlich an Gewicht in der Asien-Pazifik-Region. Der Demokrat Biden möchte einerseits China dort etwas politisch entgegensetzen, anderseits geht es um Geschäfte.

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