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  • Kultur
  • Mexikanischer Film »Sundown«

Ein Mann trinkt Bier in Acapulco

Ein reicher Engländer, eine Familienkrise und eine Runde Bier und Sex sind die Zutaten des Films »Sundown«

  • Isabella Caldart
  • Lesedauer: 3 Min.
Tim Roth zeigt sein schauspielerisches Talent im Biertrinkend-aufs-Meer-Starren.
Tim Roth zeigt sein schauspielerisches Talent im Biertrinkend-aufs-Meer-Starren.

Was er denn wolle, fragt sie ihn mehrfach, was mit ihm los sei. »Nichts«, antwortet ihr Bruder. Zum Zeitpunkt dieses Gesprächs zwischen Alice (Charlotte Gainsbourg) und Neil (Tim Roth) ist bereits mehr als die Hälfte von »Sundown – Geheimnisse in Acapulco« verstrichen, und die Szene verdeutlicht sehr gut das große Problem des Films: Es passiert einfach nichts.

Die Engländer*innen Neil, Alice und die beiden Kinder von Alice, Alexa und Colin, machen Urlaub im mexikanischen Touristenort Acapulco, als sie die Nachricht ereilt, dass es einen Todesfall in der Familie gab. Hastig reisen sie ab – allerdings nur Alice und die Kids, denn Neil tut am Flughafen so, als habe er seinen Reisepass verloren, und bleibt alleine zurück. Nahezu eine halbe Stunde lang begleiten die Zuschauer*innen Neil dabei, wie er am Strand von Acapulco Bier trinkt, sich mehr schlecht als recht mit ein paar Leuten unterhält und eine Affäre mit der mexikanischen Bierverkäuferin Berenice (Iazua Larios) anfängt. Sonst geschieht rein gar nichts – bis Alice zurückkommt, weil Neil ihre Anrufe ignoriert und sie ihn zur Rede stellen will. Ach so, nein: Zwischendurch wird noch schnell jemand am Strand erschossen, ohne dass das irgendwie zur Handlung beitragen würde, weil wir uns ja in Mexiko befinden, klar.

In den letzten 30 Minuten gibt es dann doch eine Szene, die man als Action, mit gutem Willen sogar als handlungstreibenden Moment bezeichnen könnte. Aber auch das ändert kaum etwas an der Stimmung oder dem Erzähltempo des Films. Es gibt ein bisschen Knast und ein bisschen Krankenhaus, es wird oft geduscht, in die Ferne gestarrt oder auch mal sonnenverbrannte Haut vom Arm gezupft.

Bleibt die Frage: Was will uns »Sundown« eigentlich sagen? Der Film hat im Grunde keinerlei Spannung, ebenso wenig wie – und das ist viel schlimmer – irgendeine Botschaft, außer uns einen alternden reichen weißen Mann in seiner Sinnkrise zu zeigen. Und diese Langeweile und Banalität werden noch getoppt von einer Handvoll Klischees über Mexiko. Das Drehbuch verfasst – das sollte an der Stelle erwähnt werden – hat übrigens Regisseur Michel Franco (der 2015 in Cannes für das Filmdrama »Chronic« mit dem besten Drehbuch ausgezeichnet wurde), ein gebürtiger Mexikaner. Das ändert leider nichts daran, dass der Film mexikanische Stereotype vermittelt.

Schauspielerisch bedeutet »Sundown« ebenfalls keinerlei Herausforderung. Charlotte Gainsbourg ist wenig zu sehen, da ihre Szenen auf kaum eine Viertelstunde kommen, auch Nebendarstellerin Iazua Larios kommt wegen der Sprachbarriere zwischen Neil und Berenice kaum zu Wort. Tim Roth unterdessen gibt zwar sein Bestes, da seine Figur aber nicht viel mehr macht, als in längeren Kamerasequenzen Bier trinkend aufs Meer zu starren, kann auch er seine Fähigkeiten nicht beweisen. Gewiss mag man anmerken, dass auch zum schweigend Starren Talent gehört, zumindest wenn man diese Szenen mit Intensität vermitteln will; und ja, das gelingt Roth durchaus. Warum man sich den Film anschauen soll, diese Frage stellt sich trotzdem. Es bleibt ein oberflächliches Porträt eines Abtrünnigen, der sich von seiner reichen Familie abkapselt – mit entsprechender monatlicher Rente natürlich.

Immerhin eine Sache lässt sich positiv hervorheben: »Sundown« stellt sich gegen den Trend der überlangen Filme und ist mit seinen rund 80 Minuten angenehm kurz. Vor der Langeweile beim Schauen des Films sind wir Zuschauer*innen dennoch nicht gefeit.

»Sundown«: Mexiko/Frankreich/Schweden 2021. Regie: Michel Franco. Mit: Tim Roth, Charlotte Gainsbourg, Iazua Larios, Henry Goodman. 83 Min. Start: 9. Juni.

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