Die Wärmewende stolpert voran

Die Nachfrage nach Wärmepumpen ist derzeit höher als das Angebot

  • Sandra Kirchner
  • Lesedauer: 4 Min.

Lässt sich in meinem Haus eigentlich eine Wärmepumpe installieren? Das fragen sich angesichts der steigenden Gaspreise gerade viele Eigenheimbesitzer*innen. Häufig wird vermutet, dass ältere, kaum sanierte Wohnungen und Häuser nicht mit einer Wärmepumpe beheizt werden können, weil etwa alte Heizungen höhere Vorlauftemperaturen benötigen. Energiesparberater*innen werden immer wieder darauf angesprochen.

Das ergibt eine Umfrage der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) unter den Expert*innen, die in diesem Sommer durchgeführt wurde. Demnach werden 90 Prozent der befragten Energiesparberater*innen regelmäßig bis häufig nach Wärmepumpen gefragt, weitaus häufiger als nach Pellet-, Gas- oder Ölheizungen. Meist geht es darum, ob sich Wärmepumpen für ein bestimmtes Gebäude eignen.

Aus Sicht der Dena braucht es an dieser Stelle mehr Informationen für Hauseigentümer*innen. »Die Hemmnisse für den Einbau einer Wärmepumpe sind meist geringer als gedacht«, sagt Christian Stolte von der Dena. Wärmepumpen würden teils unterschätzt – sie seien mit der Zeit besser und effizienter geworden. »Auch in älteren Gebäuden können Wärmepumpen verbaut werden, diese Gebäude müssen nicht vollständig saniert sein. Aber verbunden mit einem Heizungs- oder Fenstertausch lohnt sich der Einbau der Wärmepumpe noch mehr«, ergänzt Stolte, der bei der Dena den Bereich Klimaneutrale Gebäude verantwortet.

In Neubauten sind Wärmepumpen mittlerweile der am häufigsten installierte Heizungstyp. 2021 wurden Wärmepumpen laut Statistischem Bundesamt in knapp 51 Prozent aller Neubauten und damit erstmals in mehr als der Hälfte der neuen Gebäude verbaut. Auch ältere Gebäude kommen aus Sicht der Dena für diese Heizung infrage. Das bestätigen Analysen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Demnach können Wärmepumpen auch in nicht oder nur teilweise sanierten Häusern eine gute Effizienz erreichen – selbst wenn Sanierungsmaßnahmen wie der Tausch von Heizkörpern erst mehrere Jahre nach Einbau der Wärmepumpe durchgeführt werden können. Und auch wirtschaftlich lohnt sich der Einbau, weil angesichts stark gestiegener Gaspreise die Betriebskosten einer Wärmepumpe niedriger sind als die eines Gaskessels.

80 Prozent der von der Dena befragten Energiesparberater*innen empfehlen häufig den Einbau von Wärmepumpen, obwohl die Anschaffungskosten für die Technik in der jüngeren Vergangenheit stark angestiegen sind und bis zum Einbau einer neuen Wärmepumpe durchaus ein Jahr vergehen kann. Die Nachfrage nach Wärmepumpen steigt trotzdem. 150 000 wurden im vergangenen Jahr installiert. Und schon bald sollen es noch viel mehr werden. Ab 2024 sollen bundesweit jedes Jahr 500 000 Wärmepumpen verbaut werden. Dieses Ziel haben sich Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) beim Wärmepumpengipfel gesetzt, der Ende Juni mit Branchenvertreter*innen stattfand. 2030 sollen dann in Deutschland sechs Millionen Wärmepumpen installiert sein.

Die Bundesregierung hält das Ziel für erreichbar. Doch dafür müsste das Angebot verbessert werden, sagt Dena-Chef Andreas Kuhlmann. »Es gibt aktuell kein Nachfrage-, sondern eindeutig ein Angebotsproblem. Produktion, Einbau sowie die Anmeldung der Anlagen bei den zuständigen Netzbetreibern müssen massiv beschleunigt werden«, fordert Kuhlmann. Anbieter und Handwerksbetriebe müssten diese Angebotsprobleme in den kommenden zwei bis drei Jahren zu großen Teilen in den Griff bekommen.

Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 900 000 Heizungen ausgetauscht. Auch wenn die Nachfrage nach Wärmepumpen steigt, entscheiden sich Eigentümer*innen noch viel zu häufig für eine klimaschädliche Heizung auf Basis fossiler Brennstoffe. Im Jahr 2021 wurden 653 000 neue Gasheizungen eingebaut, deutlich mehr als von jeder anderen Heizungsart. Für das Erreichen der Klimaziele ist das eine Katastrophe, denn 2045 muss der Gebäudebestand in Deutschland klimaneutral sein. Beim Heizen und Kühlen von Gebäuden sowie beim Erzeugen von Warmwasser darf dann kein CO2 mehr freigesetzt werden. Das heißt, diese Heizungen müssen vor dem Erreichen ihrer Lebensdauer nochmals ausgetauscht werden.

Fast jede zweite Wohnung wird hierzulande mit Gas beheizt. Deren Bewohner*innen müssen sich auf höhere Kosten fürs Heizen und für Warmwasser einstellen. In den vergangenen Monaten sind die Gaspreise steil in die Höhe geschossen. Kostete eine Kilowattstunde Gas vor einem Jahr noch etwa 6 Cent, müssen Neukund*innen dafür heute 30 Cent zahlen. Ab Oktober kommt die Gasumlage von 2,419 Cent je Kilowattstunde hinzu. Der Aufschlag soll Erdgas-Importeure entlasten, die wegen der geringeren Lieferungen aus Russland Gas aus anderen Quellen zu deutlich höheren Preisen kaufen müssen. Damit die Kosten für Gaskund*innen zumindest etwas abgebremst werden, hat die Bundesregierung vergangene Woche angekündigt, dass die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf 7 Prozent reduziert werden soll.

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