Gute Idee für den Abfallkorb

Beräumung einer illegalen Müllhalde im brandenburgischen Vogelsdorf droht am Wassermangel zu scheitern

Nur ein Bruchteil des Abfalls, der illegal an der Frankfurter Chaussee im brandenburgischen Vogelsdorf abgeladen wurde.
Nur ein Bruchteil des Abfalls, der illegal an der Frankfurter Chaussee im brandenburgischen Vogelsdorf abgeladen wurde.

Gut zehn Meter hoch türmen sich seit Jahrzehnten Abfall und Bauschutt. Es wachsen bereits Sträucher und sogar Bäume aus der illegalen Müllhalde in Fredersdorf-Vogelsdorf (Märkisch-Oderland). Alles Mögliche liegt da: alte Fenster, ein verrostetes Fahrrad. 85.000 Tonnen Abfall lagern auf dem 13 Hektar großen Areal an der Frankfurter Chaussee 33/34. Das Gelände ist die größte illegale Mülldeponie Brandenburgs – und dabei gilt das Bundesland schon als Eldorado für kriminelle Machenschaften dieser Art.

Versprochen war an der Frankfurter Chaussee mal die modernste Recyclinganlage Europas. Bei einem Termin zur Eröffnung in den 1990er Jahren stand die damalige Umweltministerin und spätere Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Gästeliste. Ob sie wirklich erschienen ist, lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Fakt ist: Es wurde nicht fachgerecht entsorgt, sondern einfach abgeladen. Ein Investor hatte die Fläche gekauft, die in der DDR von einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) bewirtschaftet wurde. Er verpachtete sie nacheinander an drei Recyclingfirmen, die immer mehr Müll anhäuften. Als die Behörden nach einem Brand im Jahr 2001 eine finanzielle Absicherung forderten, meldete der letzte Betreiber Insolvenz an. Es ist nun niemand mehr zu fassen, der haftbar gemacht werden könnte.

Doch allein für die Beräumung der illegalen Müllhalden, für die das Landesumweltamt zuständig ist (um andere Müllhalden müssten sich etwa die Landkreise kümmern) wären 500 Millionen Euro erforderlich, rechnet der Landtagsabgeordnete Benjamin Raschke (Grüne) vor. »Die Summe ist absurd hoch«, weiß er. Schließlich sind im Landeshaushalt für solche Zwecke gerade einmal zwei Millionen Euro eingeplant. Außerdem seien die 500 Millionen Euro eine Zahl von vor vier Jahren, sagt Raschke. »Da ist sicher noch etwas dazugekommen.«

»Ich bin hier nicht zum ersten Mal«, verrät der Politiker am Mittwoch. Doch zum ersten Mal hört er von einer pfiffigen Lösung. Die Investoren Wolfgang Roeck und Patrick Reissner wollen den Müll auf eigene Rechnung abräumen und das mit einem Gewerbegebiet refinanzieren, das sie an dieser Stelle einrichten möchten. Die Gemeindevertreter seien zunächst »misstrauisch« gewesen, erzählt Bürgermeister Thomas Krieger (CDU). »Das erklärt sich aus der Geschichte.« Zu viele hatten ihnen in der Vergangenheit zu viel versprochen. Darum auch die Auflage, die Müllbeseitigung in maximal drei Jahren zu stemmen. »Mich hat er überzeugt, die Gemeindevertretung hat er überzeugt«, nickt Bürgermeister Krieger dem Unternehmer Reissner zu. »Was wir brauchen, ist Baurecht.«

Seit 15 Jahren ist Patrick Reissner mit zwei Brüdern im Abfallgeschäft, ist Geschäftsführer der Reikan GmbH mit fünf Standorten, davon einer in Beeskow, ist außerdem Gesellschafter der Sorbus GmbH, die sich um das Vogelsdorfer Projekt kümmern soll. Da gebe es »ein paar Schwarze Schafe« in der Branche, beklagt er – frustriert wegen Konkurrenten, die Sauereien machen. Technologisch ist die Beräumung in Vogelsdorf kein Problem. Die Müllhaufen werden vor Ort zerkleinert und abtransportiert, der Schrott verwertet, das Holz verbrannt, wobei noch Energie gewonnen wird. 20 Jahre alter Kunststoff, der in der Sonne gammelte, lasse sich leider nicht mehr recyceln, bedauert Reissner. Er muss entsorgt werden. Was sich genau in den Halden verbirgt? Bisher weiß man nur aus einem Gutachten, dass nichts darunter sei, von dem eine unmittelbare Gefahr für Mensch und Natur ausgehe.

Auch die Ansiedlung von Industrie in dem geplanten Gewerbegebiet dürfte kein Problem sein. Die Gegend profitiert von der neuen Tesla-Autofabrik in Grünheide. Vielleicht finden sich sogar Zulieferer für den US-Konzern an der Frankfurter Chaussee ein. Die Schwierigkeit besteht aber darin, Wasser für das Gewerbegebiet heranzuschaffen. Der Wasserverband Strausberg-Erkner darf nicht unbegrenzt Grundwasser fördern. Von dem, was er genehmigt bekommen hat, geht alles an Privathaushalte und schon bestehende Firmen – insbesondere auch an die Tesla-Fabrik – oder es ist bereits für andere reserviert. Der Wasserverband erteilt also auf alle neuen Anfragen ablehnende Bescheide. »Wenn das so bleibt, ist das Projekt gestorben«, bedauert Bürgermeister Krieger. Investor Reissner meint, es könne doch nicht sein, dass es fünf Jahre dauert, eine Genehmigung zu erhalten. Schließlich werde alles von Jahr zu Jahr teurer und ließe sich am Ende gar nicht mehr bezahlen.

Was schon genehmigt ist und bereits läuft: Die Umsiedlung von Hunderten Zauneidechsen auf ein drei Kilometer entferntes Gelände der Berliner Stadtgüter. Spezielle Zäune verhindern, dass neue Exemplare nachstoßen. Die Knoblauchkröten, die sich an einem Wasserloch angesiedelt haben, dürfen bleiben und erhalten sogar mehr Lebensraum an drei alten Teichen, die noch trocken daliegen, aber mit Regenwasser von den Hallendächern des Gewerbegebiets befüllt werden sollen, wie Landschaftsarchitekt Martin Janotta erläutert. Eine frohe Botschaft für die Bundestagsabgeordneten Canan Bayram und Lukas Benner (alle Grüne), die sich alles erklären lassen. Ihre Ideen zur Bekämpfung der Umweltkriminalität sind hier allerdings weniger gefragt als eine wasserrechtliche Erlaubnis für das Gewerbegebiet.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal